Monat: April 2014

Eurovisionäre Nachhilfe: 30. April 1988

1988Dem Alter, harmonische Fernsehabende unbedingt auf der elterlichen Couch verbringen zu müssen, lange entwachsen, deutete sich 1988 so etwas wie ein Paradigmenwechsel an, hätte mal ein Wissenschaftler meine eurovisionären Gewohnheiten untersucht. In jenem Jahr wurde die ESC-Party geboren! Nun gut, noch in einem sehr kleinen, überschaubaren studentischen Kreis, jedoch mit ersten Ingredienzien wie z.B. der wandernden Kommentarliste, viel Alkohol und einer Aftershowparty, die bis in die frühen Morgenstunden reichen sollte. Sie alle wurden im Laufe der folgenden Jahre zu elementaren Bestandteilen dieser rituellen Zusammenkünfte, wenngleich die 89-er Ausgabe wegen Liebesschmerz anhaltendem Hangover schon wieder ausfiel und in den Geschichtsbüchern der Nichtigkeiten erst 1990 als das offizielle Geburtsjahr dieser hedonistischen Tradition gelistet wird.

d88Aber bleiben wir beim 30. April 1988. Deutschland hatte sich wenige Wochen zuvor für ein hochnotpeinliches Mutter-Tochter-Gespann entschieden, das unbegreiflicherweise am Finaltag von den schmerzfreien britischen Buchmachern gar auf Rang drei gewettet wurde. „Lied für einen Freund“ war in sträflicher Manier das genaue Gegenteil von einem aktuellen Popsong (die Pet Shop Boys führten gerade mit „Heart“ die BBC-Charts an), schmalzig und schräg mit unerträglichem Hundeblick vorgetragen. Mehrheitlich interessierte das in Europa – aber selbst im eigenen Land – niemanden, also galt es, eigene Favoriten auszumachen. Dem Himmel sei Dank hatten wir ganz weitsichtig auf den Original-Fernsehton, über den die leibhaftige Nicole einen nöligen Kommentar absonderte, verzichtet und das TV-Bild mit der hippen BFBS-Live-Radioübertragung verkoppelt. Das garantierte zwar unter technischen Aspekten betrachtet ein optimales Stereoerlebnis, musikalisch rangierte jedoch vieles, was Europa uns da vorsetzte, auf einem ähnlich unterirdischen Level wie der bereits erwähnte deutsche Beitrag. Natürlich gab es Ausnahmen, immer dann, wenn ausgelutschte Eurovisionssongmuster gebrochen wurden: Irland, das als Vorjahressieger ja nicht mehr gewinnen musste, stellte mit „Take him home“ ein Ballade epischen Ausmaßes vor; Norwegens „For vår jord“ war ähnlich stimmungsvoll, ohne abgestanden sülzig zu wirken.

uk88Damals schwappte übrigens populärkulturell so etwas wie eine erste Ethnowelle durch die Republik. Meine liebe Freundin Fräulein T., die gerade aus für mich unerfindlichen Gründen einen studienfachübergreifenden Kurs „Türkisch am Krankenbett“ besucht hatte, favorisierte daher den Beitrag „Sufi“ aus Ankara, der aus heutiger Sicht allerdings noch Lichtjahre von der Qualität begeisternder landestypischer Popfolklore entfernt war. Traditionalisten erfreute das israelische „Ben Adam“, das jedoch ebenfalls an ein stimmungsvolles „Hallelujah“ nicht heranreichte. Richtig in Wallung geriet die Feierrunde aber eigentlich nur bei der britischen Einsendung „Go“. Meine liebe angelsächsische Brieffreundin Miss H., ebenso eurovisionsaffin wie ich, hatte mir die Single wenige Wochen zuvor auf dem Postweg zukommen lassen, seitdem lief sie im heimischen Apartment in „heavy rotation“. Im Grunde war „Go“ der absolut krasse Gegenentwurf zu meinem sonstigen Musikgeschmack, griff aber – nicht allein des Alkohols wegen – offensichtlich eine Stimmung auf, die an jenem Abend im April kollektiv angenommen wurde. So hatten mein bester Freund Herr B. und ich uns trotz der frühen Startnummer von Scott Fitzgerald bereits eingesungen und grölten, kurz nachdem Ronnie Hazlehurst den Taktstock geschwungen hatte, laut und textsicher mit. Der Sieger war gefunden!

ch88Leider nur fast. Beim abschließenden Voting lag plötzlich eine Kanadierin aus der Schweiz vorne, die uns zuvor nur aufgrund ihrer schrecklichen Minipli / Nase / Körperhaltung aufgefallen war. Als sie sang, wurde nämlich die BFBS-Übertragung unterbrochen, da eindringlich nach einem Sergeant Smith oder so ähnlich gefahndet wurde. Bis heute ist nicht aufgeklärt, was der Kerl eigentlich angestellt hatte, aber dem britischen Soldatenfunk war die Meldung anno dazumal nahezu drei Minuten Sendezeit wert. Von „Ne partez pas sans moi“ hatten wir also so gut wie nichts gehört und wunderten uns, dass ausgerechnet diese schäbige Frau unserem Scott gefährlich werden sollte. Und wenn die Wertung Kult ist, wie Peter Urban heutzutage nicht müde wird zu sagen, dann gilt das sicherlich für das 88-er Voting. In der letzten Punktevergabe erhielt die nordamerikanische Schweizerin schlappe sechs „Votes“, womit sie nur einen Punkt vor dem United Kingdom lag. Das is geritzt, der Scott räumt jetzt die famosen „douze Points“ ab, dachten wir – und er wohl auch. Doch Pustekuchen! Die einzig noch wertenden Jugoslawen machten damals schon auf Diva und ließen „Go“ komplett leer ausgehen. Schockschwerenot – darauf nahmen wir allesamt einen großen Schluck, lauschten dem nochmals vorgetragenen Siegertitel der erst Ewigkeiten später weltbekannten Eidgenossin mit Migrationshintergrund und schmissen schnell den Schallplattenspieler an, um todtraurig und zum Leidwesen der Nachbarn für den Rest der Nacht „Go before you break my heart once more“ zu schmettern. Ja, wir waren ein musikalisch begnadeter Haufen damals… Coverfotos: Jupiter/PRT/Carrere

scoreboard 1988Foto Scoreboard & Logo: EBU


Da ist sie endlich, die Bühne 2014!

Von wegen Back to Basic! Die Dänen verlieben sich gerade in ihre eurovisionäre Bühne und lassen per Video mal kurz die Lichtorgel-Muskeln spielen.


Eurovisionäre Nachhilfe: 22. April 1978

1978Irgendwie zeichnete sich von Anfang an ab, dass der Song Contest 1978 nicht besonders glorios daherkommen und meine seit 74 angefachte Eurovisionsbegeisterung spürbar dämpfen sollte. Eine deutsche Vorentscheidung gabs erst gar nicht zu sehen. Sie fand zwar statt, aber nur im Radio und ging völlig an mir vorbei. Wie auch an der ebenfalls an der Liedsuche beteiligten Jury. Diese nämlich empfand einen der vorgestellten Beiträge grauenhafter als den anderen und verweigerte sich einer Wertung, da überhaupt keines, keines, keines der eingereichten Lieder wettbewerbsfähig sei. Lediglich eine Empfehlung gab sie den Verantwortlichen beim Südwestfunk mit auf den Weg: Deutschland möge sich am besten ganz vom Schlagerfestival zurückziehen! Das passte zur ewigen Knatscherei der von Hochkultur träumenden Journalisten und heimischen Liedermacher-Muschpoke, die gebetsmühlenartig das ihrer Meinung abtörnende Niveau des Wettsingens alljährlich beklagten.

d78Der SWF jedoch schlug sich ein Ei auf die Meinung der Experten und entschied kurzerhand, dass halt die Favoritin der Radiohörer, Ireen Sheer, zum Finale entsendet werden sollte. Teuer konnte der „Spaß“ eh nicht werden, sollte doch die Veranstaltung in einem schmucklosen Kongresszentrum in Paris, quasi um die Ecke stattfinden. Zudem hatte man sich die Peinlichkeit wie auch die Kosten einer öffentlichen TV-Vorentscheidung erspart. Und da die englische Sirene schon einige Zeit keinen veritablen Hit mehr vorzuweisen hatte, ließ sie sich auf diesen Kuhhandel ein und überlegte, wie sie Europa, wenn sie schon ein angeblich so unterirdisches Liedchen sänge, beeindrucken könnte. Kurz vor der Abreise endlich, als sie ihr neues Lieblingscape in den Koffer packte, kam ihr eine Idee…

Ehrlich gesagt war mir Ireen Sheer schnuppe. 1978 war einfach nur Disco, Disco, Disco angesagt, seit Saturday Night Fever erschien eine großartige Hymne nach der anderen und ich lechzte wie auf Droge danach. Das deutsche „Feuer“ konnte dagegen nur abstinken, wenngleich es einen – sagen wir einfach mal mutig – Beat hatte, der mit viel Wohlwollen dem damaligen Tanzschuppen-Rhythmus nahe kam. Noch etwas näher am Zeitgeist war das spanische Duo Baccara, das im vorherigen Sommer ganz Europa mit angeblichen Boogiekünsten bezirzt hatte, und nun für Luxemburg den Song Contest gewinnen wollte. „Parlez-vous francais?“ – eine Frage, die im Land der Franzosen etwas dämlich wirkte – hauchten sie ebenso unverständlich wie schon ihre englischsprachigen Hits. Doch auch Baccara fand ich mittlerweile eher uncool. Anders übrigens als ein guter Freund, der damals (wie ich erst vor kurzem erfuhr) stundenlang vor einer ortsansässigen Wüstenrotfiliale stand, um ein Autogramm der Grazien zu ergattern, das Mayte und/oder Maria dann, wohl um Missverständnisse zu vermeiden, sinnigerweise gleich mit Baccara unterschrieben.

lx781978 also waren sie auf dem Papier der heißeste Act, mit Nummer-Eins-Erfolgen quer durch Europa, was ich nach dem ganzen Lamento um die verschmähte Ireen grundsätzlich okay fand. Und auch wenn kein Mensch ihr Kauderwelsch verstehen konnte, gingen die schwarz-weißen-Tänzerinnen als große Favoritinnen an den Start. Dann aber hat wahrscheinlich die zuvor schon Unruhe stiftende deutsche Expertenjury mal eben ihre europäischen Kollegen in den angeschlossenen Funkhäusern angerufen und diese ins Gebet genommen, denn prompt gingen die spanischen Luxemburgerinnen beim abschließenden Voting unter wie ein Stein im Wasser. Lediglich für Platz sieben sollte es am Ende reichen, trotz anfänglicher Douze Points aus Portugal, Spanien und Italien. Eine Blamage! Tja, und wer lag zum Schluss gar knapp vor den beiden iberischen Edelrosen? Unsere Ireen natürlich! Die hatte, zäh wie Leder und allen Anfeindungen zum Trotz, ziemlich berechnend ein innovatives Element in den europäischen Gesangswettstreit eingebracht, auf das fortan so manch verzweifelter Interpret nicht mehr verzichten wollte: den Kostümweitwurf! Ihr schickes weißes Cape schleuderte sie beim ersten Refrain voller Verve quer über die französische Bühne, was heute in kaum einem TV-Rückblick fehlen darf, damals für Aufmerksamkeit sorgte und prompt von den Musiksachverständigen mit Platz sechs belohnt wurde.

il78Ähnliche Fachkenntnis bewiesen dieselben Juroren, als sie das israelische Kinderlied, dessen simpler Text putzig wie im Kibbuz vorgetanzt wurde, auf Rang eins setzten. Zugegeben, es war einer der wenigen tatsächlich eingängigen Beiträge in einer ansonsten eher sterbenslangweiligen Konkurrenz. Selbst auf die Briten war in diesem Jahr kein Verlass, kopierten sie mit Coco doch ihre eigene Song-Contest-Historie, was letztlich mit der bis dato schlechtesten Platzierung für das Vereinigte Königreich bestraft wurde. Europas bestes Lied sollte also gar nicht aus Europa, sondern aus Israel kommen, womit sich der Kreis zum Anfang dieses kleinen Artikels schließt. Auf dem ganzen Kontinent war kein eurovisionäres Hitmaterial vorhanden, der Glamourfaktor, den Abba vier Jahre zuvor ins Spiel gebracht hatten, war plötzlich nirgends mehr auszumachen. Wen wundert es da, dass die gastgebenden Franzosen die Veranstaltung wie die Übertragung eines Staatsbegräbnisses inszeniert und mit einem Fahrstuhl zum Schafott garniert hatten? Folglich war der 78er Jahrgang auch in Sachen Chartbuster ein ziemlicher Reinfall: „A-Ba-Ni-Bi“, der Siegertitel, schaffte es gerade mal bis auf Platz 22, die spanischen Tänzerinnen bis 21 und die unverwüstliche Mrs Sheer (die danach nur noch Kopfweh beklagte) lediglich auf Rang 39 der heimischen Verkaufshitparade. 1979 konnte nur besser werden – und wie wir mittlerweile wissen, war es das – dem Eurovisionsgott sei dank – dann auch!
Coverfotos: EMI, RCA, Polydor

scoreboard 1978Foto Scoreboard & Logo: EBU


Eurovisionäre Nachhilfe: 06. April 1974

abba 1974 universal bubi heilemannFoto: Universal/BubiHeilemann

1974An diesem Tag – also heute vor vierzig Jahren – wurde ich eurovisionär! Das hört sich spektakulär an, war es anfänglich aber überhaupt nicht. Denn während ich im Vorfeld des Wettbewerbs die damals alljährlich in der Bravo erscheinende Grand-Prix-Übersicht studierte, sympathisierte ich bestenfalls mit den heimischen Vertretern Cindy & Bert, was ich aus heutiger Sicht mal als Jugendsünde entschuldigen möchte. Mouth & McNeal aus Holland könnten den Deutschen vielleicht gefährlich werden, mutmaßte ich, denn auch die kannte ich aus der ZDF-Hitparade. Olivia Newton-John fand ich dagegen schon immer doof.

swe74Dann der 06. April: ich durfte ausnahmsweise länger aufbleiben und tatsächlich meine erste Eurovision am Bildschirm verfolgen! Ein Abend voller Ooh-, Hui- und Aha-Erlebnisse: Nie zuvor hatte ich diese Fanfare gehört, die das Festival feierlich eröffnete, und einen Kommentator, der erklären musste, was die Ansagerin im Morgenrock erzählte. Europäische Länder kannte ich zwar aus dem Diercke-Schulatlas, dass diese jedoch um die Wette sangen, war mir bis zu dem Zeitpunkt noch nicht untergekommen. Ich war aufgeregt wie Bolle, doch die ersten Lieder – passend zum ehrwürdigen Dome-Theater, in dem sie vorgetragen wurden – waren allesamt recht brav und langweilig, einschließlich das der von mir verhassten Australierin, die für England startete, wo moderne Musik ja eigentlich herkam. Noch ahnte ich nicht, dass sich innerhalb einer knappen Stunde meine Vorstellung von Pop für immer verändern sollte. Werner Veigel sagte die Startnummer acht an, als Agnetha und Annafrid die Bühne erstürmten und die glitterige Deko wie für sie gemacht zu sein schien. „My my, at Waterloo Napoleon did surrender!“ Sofort war mir klar, dass das piefige deutsche Duo dagegen nur abstinken konnte und seine Mikros am besten schnell wieder eingepackt hätte. Okay, die Holländer waren ganz lustig, die Italienerin offensichtlich sehr traurig und die Israelis hatten rattenscharfe Pullunder an. Mein Favorit für diese seltsame Hitparade aber stand schnell und unerschütterlich fest – es waren die schwedischen Abbas (diese Pluralform wurde damals übrigens wirklich benutzt).

nl74Im familiären Umfeld dagegen kam „Waterloo“ gar nicht gut an, Hippies hatten schließlich beim Schlagerwettbewerb nichts zu suchen! Freundliche Fräuleins wie Severine, Dana und Vicky Leandros waren es, die das Spektakel die letzten Jahre über dominiert hatten. Gruppen waren demgegenüber erst seit zwei Jahren bei der Eurovision offiziell zugelassen und als Vertreter der so genannten Beatmusik im Grunde genommen (noch) vom Schlagermainstream verpönt. Heute weiß ich natürlich um die an jeder Ecke lauernde behäbige Spießigkeit der Siebziger, damals erahnte ich sie nur. Abba waren daher so was wie ein frischer Luftzug, der pfeilschnell durchs muffige Wohnzimmer zog. Knallbunte Lichter in meiner bis dato eher schwarz-weißen Welt!

Dann folgte die für heutige Verhältnisse recht flotte Wertungsprozedur unter Leitung von Katie Boyle (immer noch im puscheligen Morgenmantel): 24 Votes, trotz der Null-Punkte-Klatsche der angelsächsischen Juroren reichte das zum Sieg, der vielleicht am riesigen Brightoner Scoreboard nicht übermäßig eindrucksvoll daher kam, für die europäische Gesangsveranstaltung jedoch einen tiefen Einschnitt darstellte. Urplötzlich wurde der Grand Prix Eurovision zum Eurovision Song Contest (obschon die Briten diesen Namen bereits in den 60ern einführten, er sich aber lange Zeit gegen den französischen Terminus nicht durchsetzen konnte) und lieferte wahrhaftiges Hitmaterial. Und ich hatte ihn für mich entdeckt und wollte ihn nie mehr loslassen!

lx74Nur so am Rand bekam ich in den Wochen danach mit, dass der Kanzler umziehen musste und wegen Beckenbauer ein riesiger Fußball auf unsere Straße gemalt wurde. Abba dudelte ich während jenes Sommers (der nach Aussage des DWD angeblich zu kühl, in meiner Erinnerung jedoch sehr warm war) rauf und runter. Zwar hatten es selbst Frau Sheer und der dicke Holländer auf meine vom Radio aufgenommene himmelblaue Musikkassette geschafft, dennoch gierte ich pausenlos nach neuen Melodien der vier Schweden, die mich auf immer größeren Postern aus jeder Ecke meines Kinderzimmers anlächelten. Und auf meine damalige Lieblingshose, ein giftgrünes Polyesterding mit überdimensionalem Schlag, durfte ich unter Aufsicht meiner Oma das Kürzel ABBA aufbügeln. Vorsichtig, damit die Hose nicht in Flammen aufging. Auch als die Skandinavier – seltsamerweise – innerhalb weniger Monate bei meinen Klassenkameraden jäh uncool wurden, blieb ich ihnen treu und sparte mein Taschengeld weiterhin für stets neue Alben und Singles. Über acht Jahre – meine gesamte Teenagerzeit – ging das so, sie waren immer da und machten mich mit ihrer Musik glücklich. Dann kam nichts Neues mehr. Lange hatte ich gewartet, dass sie wie alle anderen irgendwann einfach wiederkommen. Sie taten es nicht. Mittlerweile denke ich mir, dass das ein Glück war. Denn möglicherweise nur deswegen bleiben sie selbst heute für den Eurovisionär so frisch und fabelhaft wie am 06. April 1974.  Coverfotos: EBU/ Polydor (2) / Decca

scoreboard 1974

Foto: EBU


København Premixed

Euromix 2014 PRE cover front_600x600_300KBBevor der Song Contest 2014 so weit ist, geremixt zu werden, habe ich mich erstmals an einen Premix gewagt. Der kleine Bruder der für eurovisionäre Discodivas angelegten Reihe umfasst die Highlights der diesjährigen nationalen Vorentscheidungen von Stockholm bis Budapest, bei der wohl häufiger als jemals zuvor die besserenen Songs zu Hause bleiben mussten. Während also der Kopenhagener Jahrgang eher ein Flair von verschnarchter Mittelmäßigkeit versprüht, bewähren sich die Playlist-erprobten Künstler wie zum Beispiel Tim Peters, Bogi, Dee Bee, EKO und MarieMarie auch im Mix als Schlager der Saison.

Foto: Politikeren / Grafik: Eurovisionär

 



Der simuliert doch nur…!

Der stets aufs Neue beliebte Scoreboard Simulator von ESC Nation ist seit kurzem als 2014-er Update online! Dort kann der eurovisionäre Anorak nach Herzenslust seine Zeit mit sinnfreien Votingorgien totschlagen. Wer sich dagegen auf der Suche nach seinem diesjährigen Favoriten noch nicht so recht entscheiden kann, dem sei die Sortiersoftware des knuffigen Mister Gerbear wärmstens ans Herz gelegt…
Ach, und wer Geld zu viel hat, der schickt es mir der darf es hier verzocken. Genug Ablenkung bis zum 10. Mai?!


Eurovisionäre Nachhilfe: 03. April 1976

19761976 war der Grand Prix Eurovision so populär wie nie zuvor – und niemals danach wieder. Grund hierfür war zuallererst der Überraschungssieg von Abba mit „Waterloo“ zwei Jahre zuvor und dessen musikalisch etwas dünnere Fortsetzung mit dem holländischen „Ding-A-Dong“ 1975. Innerhalb kürzester Zeit war der Song Contest vom Chanson- zum zeitgemäßen Popmusikwettbewerb mutiert, dessen Siegertitel nicht nur internationale Charterfolge wurden, sondern – das war neu – seinen Interpreten auch etwas ähnliches wie eine überschaubare Karriere mit Nachfolgehits bescherten.

d76Es schien daher ein glücklicher Zufall zu sein, dass sich in der bundesrepublikanischen Vorauswahl zwar zuerst der Barde Tony Marshall durchsetzen konnte, wegen dessen nationaler Disqualifikation aber letztlich die Anfang der Siebziger recht hippe Formation Les Humphries Singers nach Den Haag geschickt wurde. Nichts wollten die Deutschen mehr als europäische Anerkennung durch einen Sieg beim Song Contest, also vertraute man der zuletzt gültigen Erfolgsformel und schickte erstmals eine Band zum Schlagerwettbewerb. Es endete mal wieder in einem Fiasko. Der Beitrag „Sing Sang Song“ war noch einfacher gestrickt, als es der Titel schon vermuten ließ und rangierte am Ende des Abends auf Platz 15. Es war – wie selbst heute noch so oft – der vergebliche Versuch Ralph Siegels, so etwas wie aktuellen Pop zu komponieren. Doch die Jugend konnte er mit seinem umständlichen ESC-Konstrukt überhaupt nicht erreichen. Lediglich bis auf Rang 45 der Mediacontrol-Charts schaffte es der Siegelsche Singsang, und auch ich als treuer Single-Käufer und Eurovisionsfan verweigerte mich. Und die Jurys Europas eben auch.

uk76Statt dessen setzten sie – wie schon im Jahr zuvor – ausgerechnet den Song auf Platz eins, der auch als erster des gesamten Teilnehmerfeldes vorgetragen wurde. Brotherhood of Man, die mir als fleißiger Mal-Sandock-Hörer schon seit Monaten mit „Kiss me, kiss your Baby“ im Ohr waren, führten mit ihren aus heutiger Sicht affigen Tanzschrittchen zu „Save your Kisses for me“ erstmals das choreografische Element in den Wettbewerb ein. Am 03. April 1976 sorgte es maßgeblich dafür, dass die Juroren den britischen Auftritt nicht vergaßen und mit Höchstwertungen überschütteten. Natürlich funktionierte ebenso die bei den famosen Schweden abgekupferte Formel „zwei Jungs, zwei Mädchen“ und der Charterfolg in der Heimat, wo der Song schon vor dem Contest auf Platz eins der BBC-Top-40 kletterte. Dort reichte es gar für zwei weitere Top Hits 77 und 78, aber eigentlich blieb die Band immer ein peinlicher Abba-Klon. Doch während diese Mitte 1976 mit „Dancing Queen“ schon in einer anderen Liga spielten und nunmehr seit über dreißig Jahren ihr Renterdasein genießen, tingeln die Briten bis zum heutigen Tage durch die ESC-Shows Europas.

mc76Dennoch täuscht das scheinbar so eindeutige Votum des 76-er Wettbewerbs, der knallvoll mit guten, eingängigen Beiträgen war: Monaco versuchte sich erfolgreich an den damals allmählich populären Discosounds, Frankreich und Österreich hatten wirklich tolle Schlager am Start, Belgien eine wundervolle Ballade und Israel einen richtig guten Popsong. Viele schafften es während des heißen Sommers in die europäischen, aber auch bundesdeutschen Charts und sorgten für einen hohen kommerziellen Wert dieses – rückblickend betrachtet – außergewöhnlichen Jahrgangs.

sf76Und in einen mittelschweren Schreikrampf versetzt mich auch heute noch der legendäre finnische Beitrag „Pump Pump“ des gemütlichen Fredi. Zwei seiner „Friends“, die beiden Tänzerinnen, hatten kurz vor dem großen Auftritt wohl aus Langeweile Ecstasy-Bonbons gelutscht, die die beiden so in Fahrt brachten, dass der Sänger aus Suomi vermutlich noch Wochen danach blaue Flecken an der Hüfte hatte. Für solche Momente liebe ich die Eurovision!
Coverfotos: Decca, Pye Records, Polydor, Philipps

scoreboard 1976

Foto: EBU


Danijela verrät uns ihre Toppps

So verrückt sind nur wir ESC-Fans! Die überaus kultige Danijela from Slovenia, nach eigenen Aussagen ein „Bigg Fan Of Jurowischn“ mit einer Vorliebe für unvorteilhafte Miniröcke, treibt mal wieder ihr Unwesen vor der heimischen Schlafzimmerwand. Nachdem sie uns in den vergangenen Wochen sehr ausführlich erläutert hat, welche Beiträge in diesem Jahr an den Start gehen, hat sie nun in einem fast abendfüllenden Videofilm ihre Toppp 7 zusammen gestellt. Und wie jedes Mal labert sie einem wieder ungeniert ein Ohr ab, dass man ihr zurufen möchte: „Mädel, komm doch endlich mal zu Potte!“

Nie jedoch beantwortet sie Fragen, die den treuen Zuschauern wirklich unter den Nägeln brennen: Wer ist für die wackelige Filmerei der offensichtlich kiloschweren Kamera zuständig? Wohin schaut sie  immer wieder so fasziniert während der Aufnahmen? Ist es ein Teleprompter, der zu Titos Zeiten entwickelt wurde? Was führt zu ihrer chronischen Atemnot? Hat selbst ein Vollprofi wie sie immer noch Lampenfieber? Und wann besucht sie endlich einen Aufbaukurs „Englische Phonetik“? Wahrscheinlich werden wir es nie erfahren.

Hoffen wir nur, dass Jan Ola Sand bald mal in ihren Youtube-Kanal switcht und Danijelas größten Wunsch erfüllt: denn anders als der des deutschen Grafen ist er so einfach zu erfüllen… ein Ticket für den Eurovision Song Contest! Und vielleicht könnte sie bei der Gelegenheit das Event auch gleich noch live kommentieren.

Wer jetzt nicht genug von Danijela kriegen kann, hier wohl ihr bester Auftritt ever, für den sie sogar kurzzeitig ihr Schlafzimmer verlassen hat!