Aller guten Dinge sind vierzehn
Category : Artikel 2015
Autsch! Da regt sich der eurovisionaer jedes Jahr aufs Neue über haarsträubende Juryentscheide beim Eurovision Song Contest auf, doch dann muß er mit ansehen, welch ein Driss zum Vorschein käme, nähmen allein die Fans des Wettbewerbs das Votingzepter in die Hand. Jene nämlich, die in nationalen Clubs vereinigt sind, die paneuropäisch wiederum unter dem Dach OGAE (Organisation Générale des Amateurs de l’Eurovision) firmieren. Wie alle anderen ESC-Nerds lieben sie Listen, Vorentscheidungen und Wettbewerbe (so ja auch der eurovisionaer) und haben im Laufe ihrer mittlerweile fast dreißigjährigen Vereinsgeschichte derer unzählig viele ins Leben gerufen. Der Bekannteste ist wohl der Second Chance Contest, bei dem die nationalen Fanvereinigungen ihrem Favoriten der heimischen Vorentscheidung eine zweite Chance geben und ihn in das pompös gestaltete internationale OGAE-Finale entsenden, um sich bestätigt zu sehen, wie toll er beim eigentlichen Contest abgeschnitten hätte. (Denn stundenlange Diskussionen über das „Was wäre, wenn…“ sind Kern eines jeden Clubtreffens und ziehen sich wie ein roter Faden durch das Leben des hingebungsvollen ESC-Fans).
Dieses Prozedere findet seit 1987 alljährlich im Sommer statt (allein, um die dann grassierende posteurovisionäre Depression etwas in den Griff zu kriegen) und wird verbandsintern von Saison zu Saison mit immer liebevollerem Aufwand betrieben. Doch damit nicht genug: unermüdlich, wie die Anoraks nun mal sind, arbeiten sie sich fleißig auch durch die frühen Jahre und haben zu diesem Zweck vor einiger Zeit zusätzlich den Retrospective Second Chance Contest erfunden, der nunmehr die Jahre 1975 bis 1986 abdeckt und sich so allmählich dem Geburtsjahr des ESC nähert.
Zurück zum Driss. Problematisch an der eigentlich guten Idee ist, dass offensichtlich alle organisierten Fans am liebsten Schwedenschlagern lauschen. (Okay sind in der Regel nur Beiträge anderer Länder, so lange sie sich wie Schwedenschlager anhören). Was im wirklichen Leben wohl längst dazu geführt hätte, dass keiner mehr Bock auf die Chose hätte, ist bei SCC kein Thema: Schweden gewinnt trotzdem (fast) immer. So auch 2014, knapp vor einer spanischen Powerballade, die alljährlich auch ganz gerne mal gehört wird. Mit der großen theatralischen Geste vorgetragen oder im fröhlichen Einheits-Happy-Sound wippend – dazwischen gibt es für den engagierten Fan nicht viel.
Und so liest sich das diesjährige Endergebnis wie ein Fanal des Grauens, denn jene Beiträge, die das Image dieser furzlangweiligen Voting-Spielerei etwas aufpoliert hätten, wurden von den Geschmacksrichtern der nationalen Fanjurys gnadenlos abgestraft. Ausnahmslos alle Lieblinge des eurovisionaers – die wundervolle Bogi aus Ungarn, die fantastische maltesische DeeBee, Anca aus Rumänien, die slowenische Muff und selbst die deutsche Vorentscheidungsentdeckung MarieMarie – : abgeschissen in der zweiten Tabellenhälfte! Und so konnte er gar nicht anders, als seiner Empörung freien Lauf zu lassen und eine solche SCC-Spielverderberei mit einem Blogartikel zu denunzieren und der Lächerlichkeit preiszugeben. Natürlich fragt er sich zugleich, ob er mit diesem Haufen von Ignoranten noch was zu tun haben möchte, doch dann fällt ihm – dem Himmel sei Dank! – ein, dass er gar kein Mitglied dieses organisierten Verberechens Vereins ist und auch ganz gut allein durchs eurovisionäre Leben kommt. Amen!
Grafik: eurovisionaer