Die Türkei ist draußen

Die Türkei ist draußen

Was waren denn nun die Gründe? Die leidige Big-Five-Diskussion, die am vergangenen Sonntag zementierte Entwicklung zum pro-islamischen Polizeistaat oder generell das Image des Song Contests als Förderer der „Verschwulisierung“ (West-)Europas?

Nein, Antworten auf diese Fragen sind vom verantwortlichen Staatssender TRT nicht zu erwarten, denn sie zu geben hieße, dem europäischen Schlagerzirkus Beachtung zu schenken. Und genau das will in der Türkei ganz offensichtlich niemand mehr. Folglich wurde die gestrige Absage an eine Teilnahme in Stockholm nicht etwa über offizielle türkische Kanäle verbreitet, sondern als kurzknappe Mitteilung der EBU veröffentlicht.

Die über Monate kursierenden Gerüchte, die Türkei werde sich im kommenden Jahr erstmals seit 2012 wieder an dem traditionsreichen Gesangswettbewerb beteiligen, entpuppen sich nun als rein folkloristisches Wunschdenken mancher Hardcorefans. Es gab gar keine Signale aus Ankara, geschweige denn eine Meldung mit der Bitte an Genf, auf die provisorische Teilnehmerliste gesetzt zu werden. Wozu auch? Hat man doch mit der erstmals 2013 ausgerichteten Türkvizyon ein eigenes Festival etabliert, wo man sprachlich und ethnisch unter sich bleiben darf.

Verfolgt man die derzeitige politische Entwicklung Europas zurück zum Nationalstaatsdenken, dürfte sich über den türkischen Weg keiner mehr wundern. Da werden an Landesgrenzen Mauern gebaut und Andersartigkeit als Bedrohung empfunden. Aber hat das etwas mit der heilen Eurovisionswelt zu tun?

Ja, denn der Song Contest ist seit jeher eng mit dem gesellschaftlichen Schicksal Europas verbunden, wurden doch hier am Beispiel der zerfallenen Balkanstaaten oder der nachkommunistischen Osterweiterung politische Veränderungen mitgetragen und mehr oder minder erfolgreich in den europäischen Lebensalltag integriert.

Doch mittlerweile erleben wir, dass zunehmend weniger Länder Interesse am kontinentalen Wettsingen haben bzw. die Metamorphose vom braven Schnulzenfestival zum liberalen Multikluti-Event nicht mehr mittragen wollen. Indizien sind die Aufregung am Conchitas Bart oder die Diffamierung der Veranstaltung als peinliche Schwulenparade.

Das nur als eurovisionaere Anmerkung, sollte man dieser Tage das Fehlen des türkischen Ethnoschlagers bedauern.


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