Fliegen die Polen aus der Eurovision?

Fliegen die Polen aus der Eurovision?

Während die EU gestern u. a. wegen der Umstrukturierungsmaßnahmen der öffentlich-rechtlichen Medien durch die polnische Regierung deren Rechtsstaatlichkeitsüberprüfung eingeleitet hat, droht weiteres Ungemach durch die in Genf ansässige EBU. In ihr sind 95 Medienanstalten (staatliche bzw. private, die einen öffentlichen Informationsauftrag haben) zusammengeschlossen, so auch der TV-Sender TVP.  Die bekannteste Produktion der Organisation ist der jährlich stattfindende Eurovision Song Contest.

Sollte die polnische Führung Kontrolle über öffentliche Medien ausüben, könne das Land von diesem Wettbewerb ausgeschlossen werden, so der EBU-Präsident Jean-Paul Philippot. Bereits im Dezember hatte die EBU den polnischen Präsidenten Andrzej Duda aufgefordert, den von der Regierung eingebrachten Entwurf nicht zu unterschreiben, da er die Integrität und Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien als Symbol eines freien und demokratischen Land gefährde. Vergeblich, denn mittlerweile ist das Gesetz in Kraft getreten.

Auf die Brüsseler Kritik reagierte die polnische Regierung bislang gelassen. Die Anschuldigungen der Kommission seien ungerechtfertigt und lasse linke politische Motive erkennen. Ähnlich argumentierte Ungarn, als deren Präsident Orban vor einiger Zeit versuchte, ein vergleichbares Mediengesetz durchzudrücken, dann aber zurückruderte. Doch ein Blick auf die parteipolitische Landkarte Europas lässt erahnen, dass künftig mit weiteren rechten Vorstößen zu rechnen sein wird. Zweifelsfrei werden sich diese auch auf die bislang heile, liberale ESC-Welt auswirken.

Doch vorerst zurück zu den Polen: Jacek Kurski, PiS-Politiker, selbsternannter „Bullterrier“ und neuer Chef des öffentlich-rechtlichen Fernsehens TVP, gilt laut politico.eu schon jetzt nicht gerade als Freund des ESC. Conchita Wurst, Siegerin des Contests 2014, bezeichnete er als „einen Kerl, der sich ein Kleid anzieht und einen Bart aufklebt“. Dessen Auftritt habe „elementare Prinzipien des guten Geschmacks sowie die Prinzipien der polnischen Familie verletzt“.

Wir erinnern uns: Im selben Jahr entsandte Polen dralle, spärlich bekleidete Bäuerinnen auf die eurovisionäre Kopenhagener Bühne, damit sie dort zur Freude aller sabbernden Heten Europas Butter stampften und Wäsche schrubbten. Vermutlich war Herr Kurski von diesem geschmackvollen Auftritt begeistert.

Indes, die Mühlen der Verwaltung mahlen bekannterweise langsam, daher ist mit Sanktionen seitens der EBU für den kommenden Wettbewerb wohl kaum zu rechnen. Bleibt also abzuwarten, welchen familienfreundlichen Beitrag Polen im Mai nach Stockholm schicken wird. Denn dieser soll senderintern, ganz ohne öffentliche Befragung der heimischen Zuschauer, bestimmt werden…

Update: Heute Abend übrigens hat die EBU prompt ihr forsches Auftreten dementiert: Monsieur Philippot habe sich in dem besagten Interview versprochen. Die EBU ziehe nicht in Betracht, die polnischen Sender (unter ihnen TVP) auszuschließen. Vielmehr sei ihr daran gelegen, mit den assoziierten Mitgliedern zusammen zu arbeiten. Polens Teilnahme am diesjährigen Song Contest sei sicher.

So gehört sich das auch in unserer schönen neuen Welt.

Foto: EBU / Andreas Putting

2 Comments

Murki

13. Januar 2016 at 10:57 pm

Uiuiui, da macht die EBU aber ein Fass auf! Dass die Mediengesetze in z. B. Russland, Aserbaidschan und vor allem in Weißrussland (ok – allesamt nicht EU-Mitglieder) liberaler oder regierungsunabhängiger sind als die in Polen, wag ich mal zu bezweifeln. Konsequent – und für mich auch richtig – wäre dann nur, wenn die EBU-Oberen auch mal bei den dortigen Sendern anklopften.

    eurovisionaer

    13. Januar 2016 at 11:35 pm

    Richtig: Wohl auch deswegen haben die EBU-Gewaltigen plötzlich Muffensausen bekommen , denn in der Zwischenzeit wurde ein möglicher Ausschluss Polens dementiert (s. Update).

Log out of this account

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.