Monat: Januar 2017

Wenn der Vitali mit der Ruslana… die Auslosung

Im Rathaus zu Kiew hat die EBU heute in Anwesenheit des Bürgermeisters Vitali Klitschko und der seligen Ruslana die Zuordnung der Kleinen-37, die sich erst über Vorrunden ins grandiose ESC-Finale am 13. Mai 2017 kämpfen müssen, ausgelost. Der Insider spricht vom Allocation Draw. Das erfüllt zwar selten die selbst gesetzten Vorgaben, allzu nachbarschaftliches Wertungsverhalten zu unterbinden (weil immer mal wieder arg befreundete Staaten trotzdem aufeinander treffen), ist aber vom Showfaktor aus betrachtet auf dem besten Wege, so groß wie die Auslosung zur Fußball-WM zu werden.

Und – trotz der bislang erst fünf gesetzten Kiew-Beiträge – animiert sie die Hardcore-Fanschar sogleich, die Glaskugel hervorzuholen und gar düstere Prognosen für so manchen Favoriten zu verkünden. Daran mag sich der eurovisionaer zwar nicht beteiligen, wohl aber fragt er sich, wie sehr sich Deutschland – präziser formuliert der verantwortliche Sender NDR – in der EBU-Führungsetage eingeschleimt haben muss, um jedes Jahr aufs Neue ein automatisches Wertungsrecht für Semifinale 2 zu erhalten. Wenn er zum Schluss dann doch den ganzen unnötigen ESC-Kram (wie Semifinale 1 & 2) lieber wieder auf irgendeinen Spartensender versteckt schiebt und nur die fetten Finalquoten einsacken mag?

Beenden wir den kleinen Blogabend mit dieser offenen Frage.


Ganz nah dran

Category : Artikel 2017

Da liegen die Ukrainer angeblich monatelang auf der faulen Haut, auf dass selbst Bild.de schon wettert, dass der Contest den Osteuropäern entzogen gehört, und nun purzeln quasi minütlich Breaking News zum Song Contest 2017 auf uns ein. Gestern das Logo, der Slogan, heute die Bühne, die der ehrenwerte Florian Wieder entworfen hat: Der alte Hase des Zeichenstifts war bereits für das Stage-Design in Düsseldorf, Baku und Wien verantwortlich und zaubert nun laut eurovision.tv die Ukraine in den Mittelpunkt Europas:

The design for 2017 symbolises Ukraine being the centre of Europe in May and allows fans to be as close to the performers as possible. The dynamic stage design, which incorporates multiple media surfaces, will create a unique setting for each act, allowing every performer to shine on the night.

Doch auch das Skizzenpapier ist geduldig: Bleibt abzuwarten, wie er die zugegeben schmucke Präsentationsfläche in die doch eher piefige Kiewer Messehallen verfrachtet.



Heureka! Der NDR hat gefunden

„Heureka!“ rief der Unterhaltungskoordinator der ARD, Thomas Schreiber, nachdem sich vor wenigen Tagen das im stillen Kämmerlein tagende Gremium des NDR auf die fünf glücklichen, aber bislang unbekannten Kandidaten für den deutschen Vorentscheid 2017 geeinigt hatte.

Hätte ihn doch die plötzliche, freudige Erkenntnis schon Monate zuvor ereilt, als es darum ging, ein neuartiges Konzept für die diesjährige Vorauswahl zu entwickeln! Denn man muss kein notorischer Miesepeter sein, um das Format, was uns nun am 09. Februar erwartet, sagen wir mal mit Argwohn zu betrachten.

Nach den internationalen Pleiten in 2015 und 2016 (Deutschland stand bekanntermaßen zweimal in Folge auf dem letzten Platz des Tableaus) sollte alles besser werden. Vergessen war der hochnotpeinliche und letzten Endes gescheiterte Versuch, mit Xavier Naidoo einen Etablierten der nationalen Musikszene zu verpflichten. Vergessen ebenso die über mehrere Jahre praktizierte Einbindung der Major-Plattenfirmen, die die Veranstaltung vornehmlich dazu missbrauchten, Alben- oder Ticketverkäufe ihrer Künstler zu pushen, an der Marke ESC aber wenig Interesse zeigte.

Da war es naheliegend, in Erinnerungen an die glorreichen Tage zu schwelgen, als ein junges Mädchen aus Hannover die gesamte Nation in einen Song-Contest-Freundentaumel versetzte. Bääääm! – schon war die Lösung für 2017 geboren: Eine Castingshow soll’s richten. Nicht der allseits bekannte Künstler, sondern das eigentliche Herzstück des Wettstreits – das Liedgut – rückt in den Mittelpunkt der heimischen Vorbereitung. Grundsätzlich löblich.

Mittlerweile wissen wir, dass der NDR ganze zwei Songs auf dem europäischen Markt ersteigerte. Diese ZWEI Songs werden jene nun ausgewählten Talente am 9. Februar in unterschiedlichen Versionen zu Gehör bringen. That’s it – eine Formel, die einen anstrengenden Fernsehabend verspricht.

Hinzu kommt, dass – schaut man sich in einem Anfall von Masochismus die schauderlichen Speed-Dating-Interviews auf eurovision.de an – es zwar keinem der Finalkandidaten an gesanglichen Qualitäten mangelt, wohl aber an einer ordentlichen Portion Persönlichkeit. Und machen wir uns nichts vor, gerade Individualität war es, mit der das eher durchgeknallte Fräulein Lena damals in Köln und später in Oslo für Aufmerksamkeit sorgte.

2017 dagegen verspricht biedere bundesdeutsche Normalität und keine Wiederholung des 2010er Glücksgriffs. Einzig die erstmals in einer nationalen Vorausscheidung eingesetzte Eurovisions-App könnte noch für Überraschungen sorgen. Mit ihr dürfen im Netz zuschauende ESC-Fans aus ganz Europa zwar nicht mit entscheiden, wohl aber ein hoffentlich profundes Meinungsbild abgeben.

Mögen sie uns also einen glorreichen Ausweg aus diesem absehbar wenig glamourösen Vorentscheidungsdilemma weisen!

Grafik: eurovisionaer