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Category : Artikel 2017

Der eurovisionaer hat lange und tief durchgeatmet… die Saison 2017 war nicht so ganz nach seinem Geschmack. Mittlerweile hat er zurück auf seine Blog-Baustelle gefunden und will demnächst allen Ernstes versuchen, den ungeliebten Jahrgang abzuschließen und zu den Akten zu legen. Dann kehrt hier hoffentlich auch wieder Leben ein. Doch bevor es soweit ist, gibt es selbstverständlich den (von einigen gar schon erwarteten) traditionellen Remix. Namasté!

Grafik: eurovisionaer

Als wäre nix passiert

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Die Ukraine mag Russland so gar nicht und der eurovisionaer fremdelt seit Monaten mit dieser komischen ESC-Saison – aber scheiß egal – ne traditionelle Top 43 muss her! Hier ist sie… inklusive der brennenden Flamme.

 

 


Die Flamme erlischt

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Wie so viele andere, krönt der eurovisionaer seine ESC-Leidenschaft u.a. mit dem Sammeln von mittlerweile nicht mehr zählbaren Audiotracks, die in einer irgendwie gearteten Verbindung zum Wettbewerb stehen. Einige unter ihnen markiert er als „withdrawn“, weil das Einsendeland doch noch bessere Melodien auftrieb, oder als „disqualified“, weil irgendein Regelverstoß dazu führte, dass die EBU den Beitrag nicht zum Finale zulassen wollte. Seit gestern gilt es, ein neues, zusätzliches Attribut zu finden.

Da nämlich entschied der Geheimdienst der Ukraine, Gastgeberland des Eurovision Song Contest 2017, die russische Kandidatin Julia Samoilova vom Wettbewerb auszuschließen. Sie war 2015 auf der damals von Russland annektierten Krim aufgetreten und zu diesem Zweck nicht über das ukrainische Festland eingereist. Gemäß der dortigen Gesetze ist das illegal und wird mit einem dreijährigen Einreiseverbot in die Ukraine geahndet.

Damit entscheidet erstmals in der Geschichte des ESC ein Gastgeberland darüber, ob bzw. welche Künstler am Wettbewerb teilnehmen dürfen. Die EBU verhält sich butterweich (wie schon in den vergangenen Monaten, als Kiew mit diversen organisatorischen Problemen zu kämpfen hatte), bedauert den Vorfall, verweist aber auf die Gesetzgebung in der Ukraine und katapultiert sich damit als Organisator und Schiedsrichter des Events in ein scheinheiliges Nirwana.

Hilflos bietet sie kurze Zeit später der russischen Sängerin an, per Moskauer Satellitschalte an der Sendung teilzunehmen, was Channel One Russia prompt mit Verweis auf die Wettbewerbsregularien ablehnt und auch die ukrainische Politik nicht zulassen möchte, da nach einem wiederum anderen nationalen Gesetz „unerwünschten Personen“ grundsätzlich die Teilnahme an TV-Sendungen verboten sei. In letzter Konsequenz hätte die Ukraine wohl den Samoilova-Auftritt nicht übertragen.

Die ESC-Fans bewaffnen sich derweil mit Popcorn und genießen von der heimischen Couch aus das politische Spektakel, das zunehmend der dürftigen Handlung einer Soap-Opera gleicht. Wenige haben den russischen Song in ihrer Bestenliste des Jahrgangs – so what? Andere vermuten eine von Anfang an durchsichtige Provokation Moskaus oder berufen sich ebenfalls auf die geltende ukrainische Gesetzgebung, die nun einmal eingehalten werden müsse.

Der eurovisionaer – Fan der ersten ESC-Pop-Stunde 1974 – stellt derweil kopfschüttelnd fest, zu was sein Lieblingsschlagerwettbewerb in den Händen zweier Kriegsparteien verkommen ist. Und Gründervater Marcel Bezençon dürfte sich zwischenzeitlich gar im Grabe umdrehen, glaubte er doch, dass ausgerechnet Musik die zerstrittenen Völker Europas nach dem Zweiten Weltkrieg vereinen könne, wenn diese in gegenseitigem Respekt und Anerkennung um den Grand Prix Eurovision wetteiferten.

Von diesem Ideal ist 2017 nichts mehr übrig. Schlimmer noch: es scheint auch niemanden zu stören. Lange nach der einst umjubelten Öffnung des eisernen Vorhangs fokussiert sich die Fanszene nunmehr auf Russland als ungeliebtes Adoptiv-Kind des ESC. Unvergessen die Buh-Orgie gegen die russische Teilnehmerin Polina Gagarina, die den Tränen nahe jede weitere 12-er-Wertung in der Stadthalle zu Wien fürchtete und ausgerechnet von Conchita Wurst getröstet werden musste. Grund: Die Fanschar mochte (was grundsätzlich nachvollziehbar ist) nicht im Folgejahr ins ehemalige Zarenreich reisen müssen, seitdem dort 2013 Anti-Schwulen-Gesetze verabschiedet wurden.

Wie der aktuelle Streit zeigt, haben auch heute noch viele Länder Osteuropas in Punkto Toleranz, Meinungsfreiheit und Minderheitenschutz immensen Nachholbedarf. Nicht allein Russland und die Ukraine, auch Weißrussland, Azerbaidschan sowie weitere ehemalige Ostblockrepubliken können nicht das halten, was der fröhliche Sängerwettstreit als Demokratiemuster eigentlich verspricht.

Die ansonsten gerne unpolitischen ESC-Nerds wiederum tappen in eine Falle, wenn sie Landesgesetze, die vor vier Jahren in Russland noch wütend angemahnt wurden, heutzutage – nur weil sie aus der Ukraine kommen, aber gleichermaßen unsinnig sind – als gegeben akzeptieren. Denn es darf nicht Kiew überlassen bleiben, den Contest zu instrumentalisieren und darüber zu entscheiden, welche unliebsamen Teilnehmer mal eben von der Liste verbannt werden dürfen. Hierüber entschied bislang einzig die EBU.

Die wiederum macht eine mehr als unglückliche Figur und muss sich für die Eskalation der jüngsten Polit-Schmierenkomödie ganz dicke an die eigene Nase fassen. Öffnete sie doch erst im Vorjahr den Wettbewerb für politische Einflussnahme, weil sie den ukrainischen Beitrag „1944“ zuließ, der vordergründig die damalige Vertreibung der Krimtataren, zwischen den Zeilen aber ebenso die gegenwärtige russische Politik thematisierte. Das fällt ihr in der Causa Samoilova nun auf die Füsse, wenn sie einerseits den angeblich unpolitischen Charakter des Festivals hervorhebt, und sich gleichsam ukrainischen Entscheidern andient, ohne zu erkennen, welches strategische Spiel diese gerade spielen.

Seien wir ehrlich: Die Ukraine wollte 2017 von Beginn an keine Russen im ESC-Land haben. Das zuzugeben, wäre ob der EBU-Statuten unmöglich gewesen. Statt dessen reimt man sich nun irgendwelche Einreiseverbote zusammen. Den Genfer Funktionären sollte es allmählich dämmern, in welches Dilemma sie sich mit der Vergabe an Kiew begeben haben. Längst haben sie Pandoras Büchse geöffnet. Der einst friedliche Schlagerwettbewerb ist nicht mehr allein die Lachnummer des schlechten Geschmacks, die regelmäßig in irgendeinem hochnäsigen Feuilleton karikiert wird, sondern zum Austragungsort politischer Propaganda verkommen.

Wäre die EBU stark und über alle Zweifel erhaben, würde sie um ihre eigenen Prinzipien der Ukraine die Ausrichtung sofort entziehen, den Contest nach Schweden verlegen und die Russin auf die Bühne holen. Doch damit ist nicht zu rechnen – der Konjunktiv hat gewonnen.

Foto: coloneljohnbritt / Creative Commons CC BY-NC-SA 2.0

Die eurovisionaere Playlist 2017 | Vol 2

Sorry Laura, da hilft selbst kein Verona – auch der eurovisionaer ist dem Italiener nun komplett auf den Leim gegangen! Wettanbieter sind ratlos, ESC-Nerds geht der Gesprächsstoff aus, derweil schlüpft Europa schon einmal in schweißnasse Gorillakostüme. Und weil eben weit und breit keine Konkurrenz auszumachen ist, die dem schönen Francesco die Favoritenstellung am 13. Mai streitig machen könnte, trollt auch diese Playlist ein wenig unentschlossen daher.

Was nicht allein an der allerorten kritisierten Balladenflut liegt, die uns den 2017-er Jahrgang bislang sauer aufstoßen lässt. Gefällige Radiomucke, die keinem weh tut, und musikalisches Komponieren-nach-Zahlen-Einerlei werden Signor Gabbani in dieser Bestenliste eurovisionärer Melodien wohl kaum den Spitzenplatz streitig machen können – und in Kiew sowieso nicht! Oder kommt da noch was?

Foto: RAI / Grafik: EBU, eurovisionaer

0103ITAFrancesco GabbaniOccidentali's Karma
0201ESTKoit Toome & LauraVerona
0302FINNorma JohnBlackbird
0404ICERósinkranz & BærendsenYou and I
0505FRAAlmaRequiem
0600UKRRozhdenSaturn
0707UKRKuznetsovDeep Shivers
0806ESPLeKleinOuch!
0910HUNSoulwaveKalandor
1008ESTAriadneFeel me now
1100SWEWiktoriaAs I lay me down
1200SWEBella & FilippaCrucified
1309LATUpOne by one
1412ESTThe Alvistar Funk AssociationMake Love not War
1500PORSalvador SobralAmar pelos dois
1613CHTimebelleApollo
1715ICESólveig ÁsgeirsdóttirTrust in me
1819LAT
Triana ParkLine
1900SWELoreenStatements
2017BLRNaviHistoryja majho zyccia

Reine Männersache

Kaum hat Christer Björkman das Ruder in Kiew übernommen, ist die Couch besetzt und es kommen die – selbstverständlich guten – Nachrichten! Oleksandr Skichko & Volodymyr Ostapchuk, showerfahrene TV-Gesichter in der Ukraine, dürfen die drei ESC-Entscheidungen im Mai moderieren. Ihnen zur Seite steht Timur Miroshnychenko als Green-Room-Reporter. Den Nerds unter uns dürfte er aus diversen Vorentscheidungen, der erst kürzlich im Januar von Statten gegangenen Auslosung und – Igitt! dem JESC 2009 und 2013 bekannt sein.

Und wo bleibt nun die Vielfalt von wegen „Celebrate Diversity“? Die Antwort umfasst drei kleine Worte und liegt – wenn man um die bekannterweise vorwiegend männliche Anhängerschaft des Contests weiß – auf der Hand: gay, straight, bi. Das wird ja noch eine muntere Raterei, wer der drei für welche sexuelle Orientierung zuständig ist…

Foto: UA:PBC

Genug ist genug

Es reicht! Stop! Halt! Hilfe! Wir ertrinken in einem Meer von Balladen! Wie so viele Fans, will auch der eurovisionaer am 13. Mai nicht eine tränendurchströmte Beerdigung, sondern eine fette Schlagerparty besuchen.

Und was guckt sich Europa – häufig mit tatkräftiger Unterstützung seniler Preisgerichte – landauf, landab aus? Von Schmerz verzerrte Sänger, wohin man nur schaut, die sich offenbar in elendiger Traurigkeit mit musikalischem Wehklagen gegenseitig überbieten wollen.

Ist es Aberglaube, sind es neumodische Fakenews, dass nur noch das getragene Liedgut eine Chance auf eine ESC-Topplatzierung hat, seitdem Expertengremien wieder zur Hälfte mitbestimmen dürfen? Papperlapapp! Diggy-Loo Diggy-Ley, Lalala und Waterloo entgegnet da der Chef du Blog. Allesamt Sieger von Jurys Gnaden, die zwar nicht immer die Charts stürmten, aber mit griffigen Textzeilen und fröhlichen Melodien das goldene Zeitalter des ESC dominierten.

Und nun – Schwermut in nahezu jeder Strophe! Noch stehen trotz gefühlter 329 Balladen erst 14 Beiträge für Kiew fest, doch es steht zu befürchten, dass ein unerklärlicher Trend durch die mit blanker Verzweiflung geschwängerten europäischen Wohnzimmer zieht.

Genug ist genug, ruft der eurovisionaer diesen Spaßverderbern zu, die an irgendwelchen Televotingknöpfen schrauben, um kollektive Freudlosigkeit zu verbreiten. Offensichtlich haben sie vergessen, dass wir im Mai eines jeden Jahres ein buntes Schlagerfestival feiern und nicht die Werkschau des anspruchsvollen Liedgutes zelebrieren wollen.

Glücklicherweise gibt es da noch den Gorilla mit seinem italienischen Buddy. Ihr werdet schon sehen! Namaste! Alé!


Super-Christer rettet Eurovisionia!

BZZZZ Rücktritt des Organisationsteams, Verwirrung um Fantickets, Durcheinander beim Ticketverkauf und ein Organisationsplan, der um Wochen hinterherhinkt – in der Ukraine geht’s drunter und drüber.

Kein Wunder, dass nun ausgerechnet die Schweden, die stets so tun, als hätten sie den Song Contest erfunden, den Laden aufräumen sollen. ÄCHZ! Christer Björkman, ESC-Guru und seit Menschengedenken Mellotropolis-Chef, nimmt …ZOOOM Kurs Richtung Kiew, damit die eurovisionäre Bevölkerung endlich wieder ruhig schlafen kann. Zuletzt waren dort nämlich nicht wenige zarte Schlagerseelen von hartnäckigen Alpträumen befallen, der ukrainische Wettbewerb 2017 könne einem noch nie dagewesenen Organisationskollaps erliegen …WHOOOM, und prompt in kollektive Massenpanik verfallen! Lange genug war gezögert worden, nun gilt es, mit allen zur Verfügung stehenden Kräften Schlimmeres zu verhindern! TA-DAAH!

Für Super-Christer eine nahezu unlösbare Mission, schließlich bleiben ihm lediglich drei Monate Zeit, …ZACK den maroden Planeten zu retten. Doch der Godfather of Eurovision hat Superkräfte, den MEGA-Durchblick und ist nie um eine ESC-Neuerung verlegen. Vertrauensvoll legen wir unser Schicksal in seine erfahrenen Hände, auch dann, wenn er vermutlich erst in letzter Sekunde die ESC-Bombe entschärfen können wird …TICK TACK.

Nur, dass ausgerechnet die verpeilten Ukrainer selbst ihn zur Rettung abkommandiert haben sollen, das liebe EBU, …KCHHHH glaubt euch ja wohl keiner, der sich durch unzählige Superman-Filme geguckt hat. BLINK! Sei’s drum – denn auch wenn wohl der müde Ältestenrat in seiner kuschligen Genfer Zitadelle ordentlich nachgeholfen hat – Eurovisionia wird gerettet! Das allein zählt! YAHOOO!

Grafik: comicvine / Montage: eurovisionaer

Kiew im Chaos

Hoppla! Drei Monate vor dem Contest tritt das gesamte ukrainische Produktionsteam um Victoria Romanova und Oleksandr Kharebin zurück. In einer heute gemeinsam veröffentlichten Stellungnahme verweisen sie auf Strukturen innerhalb des nationalen TV-Senders UA:PBC. Dort seien seit der Bestellung des neuen Intendanten Pavlo Hrytsak im Dezember 2016 kreative Prozesse beschnitten und Entscheidungen verzögert worden.

Nahezu gleichzeitig gab UA:PBC auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz bekannt, dass alle Vorbereitung nach Plan verliefen und morgen, 14.02.2017, der (zuletzt mehrfach verschobene) Ticketverkauf starte. Angesichts des Planungschaos ist zu vermuten, dass mit dieser Ankündigung einer Verlegung des Wettbewerbs in eine andere europäische Stadt vorgebeugt werden soll.

Die EBU hat zwischenzeitlich beide Meldungen bestätigt – ohne einen weiteren Kommentar zu den Geschehnissen in der Ukraine abzugeben. Nach Meinung von Experten hat sie zu lange an Kiew fest gehalten, so dass es nunmehr in der Kürze der Zeit schwierig werden dürfte, die Festival-Logistik einem anderen europäischen TV-Sender zu übertragen (wenngleich das ukrainische Fernsehen für genau diesen Fall 15 Millionen Euro an Sicherheiten hinterlegen musste). Möglicherweise werde sie daher auf ein paneuropäisches Produktionsteam drängen, das die Übertragung des Events im Mai gewährleisten soll – es allerdings in Kiew belassen.

Update: Später am Abend erreicht die eh schon aufgelöste Fanschar eine weitere Hiobsbotschaft. Anders als in den Vorjahren erhalten die OGAE-Fanclubs weder Ticketkontigente noch die heißbegehrten Fan-Akkreditierungen, die in den Vorjahren der stalkenden Anhängerschaft Zugang zum Euroclub ermöglichten. Allmählich wird wohl der letzten treuen Seele klar, was die ukrainischen Organisatoren im Schilde führen, indem sie die stets so freudig erregten, fröhlich verkleideten – leider aber auch zumeist erkennbar schwulen – ESC-Maniacos  aus dem Bühnenvorraum verdrängen – sie wollen (wie schon ihre Moskauer Kollegen 2009) ein möglichst heterosexualisiertes, dem eigenen, eingeschränkten Weltbild entsprechend durchchoreografiertes Wettbewerbsszenario erschaffen, welches die werte Bildregie am 13. Mai bitteschön in alle Welt übertragen darf. Danke, liebe EBU, dass du dich von Beginn an auf diese Schmierenkömodie eingelassen und deine treue LGBT-Gefolgschaft verraten und verkauft hast!


Italien macht den Affen

Sonntagnacht – Wenige Stunden, nachdem die Siegerpodeste in San Remo verräumt waren, gab die italienische RAI bekannt, dass ihr überraschender Festivalgewinner Francesco Gabbani auch nach Kiew reisen möchte. Diese – von vielen sehnsüchtig erwartete – Nachricht löste in der ESC-Community eine Begeisterung aus, die zuletzt ein Herr Rybak aus Norwegen lange vor dem eigentlichen Contest anno 2009 entfachte.

Gabbani, eigentlich noch ein Neuling der italienischen Musikszene, hat alles, wonach es der gierigen Fanschar in dieser bislang äußerst mittelmäßigen Vorsaison so sehr dürstet: ein Kracher von einem – gar modernen – Lied, das, in eine sympathische Bühnenshow mit origineller Choreo eingebettet, komplett vom Charme und der Präsenz des Sängers getragen wird. Von Dublin bis Moskau überschlagen sich die ESC-Nerds – meistens mit dem richtigen Riecher für solch seltene Fälle ausgestattet – mit Lob. Braucht es da noch einen Hinweis, dass auch der eurovisionaer außer Rand und Band und aus dem Häuschen ist?

Der Clou: Was so fröhlich über die Bühne geht, ist in Wahrheit Gabbanis bitterböse und gleichsam kluge Beschreibung unserer modernen Gesellschaft: in der Intelligenz schlichtweg aus der Mode gekommen, Menschlichkeit allenfalls virtuell und Körperlichkeit verpönt bzw. steril sei. Sein Fazit: Die Evolution stolpere, denn während wir, die nackten Affen, in den Untergang tanzten, stünden unsere Vorfahren, die Primaten, bald wieder bereit. Dazu hebt der schöne, schelmische Francesco, stets synchron mit einem gleichermaßen gelenkigen Gorilla, abwechselnd das Bein und fuchtelt wild mit den Händen – so wie mittlerweile halb Italien: das postet seit vergangener Woche landauf, landab Handyvideos mit dem Gabbani-Tanz.

Und Resteuropa wird es ihm in drei Monaten mit einem breiten Grinsen im Gesicht gleich tun. Jede Wette!


Hätte – Wäre – Fahrradkette

Man glaubt es kaum, aber selbst die heimische ESC-Blase ist für Überraschungen gut. Setzt sich doch gestern die etwas schnodderig wirkende Isabella Levina Lueen gegen den im Vorfeld favorisierten und deswegen wohl furchtbar unglücklich dreinschauenden Axel Feige durch. Und kann dabei auch noch mehr als passabel singen!

Und doch – glücklich macht sie die deutschen Fans nicht, die nunmehr den schwarz-rot-goldenen Hattrick beim Song Contest befürchten, nachdem sie – auf einer Welle des Defätismus reitend – Deutschland den dritten letzten Platz in Folge prognostizieren.

Wie kann das passieren? Es liegt nicht an Levina. Verglichen mit ihren vier Mitstreitern, die allesamt besser in einer Karaokebar, denn in einer Vorentscheidung aufgehoben gewesen wären, musste sie ganz einfach glänzen. Es war nämlich die erste Runde mit den Coversongs (und hier irrte sich der eurovisionaer im Vorfeld ganz böse), die wir rückblickend als Glücksfall bezeichnen dürfen. Dort wagte sich Levina an Adeles überlebensgroßes „When we were young“ heran und empfahl sich dem geneigten Publikum für höhere Contest-Ehren.

Doch dann musste sich die tapfere Bewerberin durch die beiden vom NDR zur Wahl gestellten Songs für Kiew quälen und das Drama nahm seinen Lauf. Herr Schreiber hätte es die Kombattanten fünfzig mal singen lassen können – „Wildfire“ und „Perfect Life“ waren und sind mit keinem Arrangement der Welt ESC-Hits, sondern allemal ganz okaye Albenfüller. Und dass die so ganz und gar nicht funky aufspielende Heavytones-Kapelle ihr Scherflein zur Katastrophe beitrug – schmeißen wir schnell das Mäntelchen des Schweigens drüber (schließlich hat sich der Blogger an anderer Stelle schon weiß Gott genug über deren mehr als überflüssige Anwesenheit aufgeregt).

Am Tag danach wird in den Fanforen wild diskutiert. Hätte sie doch bloß und wäre doch nicht – alles Makulatur. Selbst wenn der NDR plötzlich eine Überarbeitung des Titels andeutet (und so sein eigenes Konzept vollends in Frage stellen würde) – es wird nichts helfen. An dem Song ist nach ESC-Maßstäben nichts mehr zu retten, mag er auch genug Radioeinsätze und ausreichend Downloads generieren. Wieder einmal wird eine recht interessante Sängerin mit seicht dahinplätscherndem 08/15-Pop ins Verderben nach Kiew geschickt werden.

Gäbe es nicht Wichtigeres auf der Welt, einem jahrzehntelangen Fan wie dem eurovisionaer könnte es die Tränen in die Augen treiben. Schafft es der verantwortliche NDR doch schon seit Jahren, den ESC-Karren mit voller Wucht gegen die Wand zu fahren. Alljährlich werden andere, nicht den Hauch von Innovation versprühende Formate erprobt, werden die ach so wichtigen Major-Plattenfirmen hofiert und kübelweise durchschnittliche Radiomucke über die stets hoffenden Fans ausgeschüttet. Währenddessen hat es sich eine kleine Clique in der Redaktion des NDR ganz kuschelig gemütlich gemacht, zaubert sie doch seit gefühlten Ewigkeiten den immer gleichen deutschen ESC-Eintopf auf den Tisch. Den öden Warm-Upper von der Reeperbahn, das wenig Varianten kennende Kommentar-Gemurmel des einstmals ehrenwerten Herrn Urban, die Abschiebehaft der Song-Contest-Semis auf irgendwelche Spartenkanäle. Und. Und. Und.

Es reicht. Den Verantwortlichen – und damit leider auch der smarten Levina – ist für Kiew kein Glück zu wünschen, damit dieses Gemurkse endlich mal ein Ende hat. Denn eins hat das gestrige Vorentscheidungsfanal eindrucksvoll bewiesen: der ESC verfügt in diesem Land – auch außerhalb der Kölner Fernsehstudios – über ein eigentlich beachtliches Potenzial: über eine wunderbar enthusiastische, treue Fanbase; über Social-Media-Kanäle, die randvoll mit eurovisionären Diskussionen sind; selbst über eine heimische Presse, die (erinnern wir uns an die Lena-Euphorie) nur darauf wartet, ein Eventfeuerwerk wie zum Beispiel im festivalverwöhnten Schweden zu entzünden. Diese Reserven wird die bestehende NDR-Mannschaft niemals nutzen.

Oder, wie es die stets loyale Barbara Schöneberger gestern ganz nebenbei richtig formulierte: Macht den Eurovision Song Contest endlich richtig groß in Deutschland!