Jetzt geht die Party richtig los
Category : Artikel 2014
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Mittlerweile ist es (fast) jedes Jahr das Gleiche: Kurz nach dem Gewinn beim Eurovision Song Contest fühlen sich die Verantwortlichen des Siegerlandes als hätten sie eine überdimensionale Arschkarte gezogen, denn schon im Sommer beginnt traditionell die Suche nach einem geeigneten Austragungsort für die nächste frühjährliche Sause. Vor Jahrzehnten nämlich hatte irgendjemand in das mehrere Bände umfassende Regelwerk der EBU gekritzelt, dass der Sieger auch den ganzen Schlamassel die Organisation des Folgecontests am Hals hat. Punkt! Doch damit macht man sich letztlich in der Genfer Chefetage nicht die Hände schmutzig, sollen das doch die Deppen vor Ort erledigen.
Was bis Anfang der 2000er-Jahre mehr oder weniger reibungslos funktionierte (und selten mal wegen akuten Geldmangels oder wichtiger Feiertage außer Kraft gesetzt wurde), wird in den letzten Jahren ein wenig problematischer. Denn seitdem die Eurovision über die Jahre immer gewaltigere Fanscharen und Horden von Medienvertretern anzog, ging es nicht mehr darum, etwas großzügigere Versammlungsräume im Hinterzimmer einer Vorstadtkneipe eines Kongressgebäudes anzumieten. Mit zunehmender Popularität wurden Delegationen, Arenen und Pressezentren immer größer, die Aufbauten immer gigantischer und die Probendurchläufe immer länger. Gleichermaßen wuchs das Verlangen der Besucher nach Designerunterkünften, einem spektakulären Rahmenprogramm und diversen anderen touristischen Kinkerlitzchen.
Erstmals haben das die Deutschen 2011 zu spüren bekommen, als sie es nach monatelanger Recherche wagten, die Eurovision ins provinzielle Düsseldorf zu verfrachten, anstatt den Hofstaat im glamourösen Berlin zu empfangen. Auch in diesem Jahr mussten sich die Verantwortlichen des schwedischen Fernsehens für das beschauliche Malmö entscheiden und nicht für die riesige “Friends Arena” oder das liebgewonnene “Globen” in Stockholm, das dummerweise schon für die Eishockey-WM gebucht war. Und selbst die strebsamen Aserbaidschaner mussten 2012 erst einmal geschwind die Vorstadtslums von Baku dem Boden gleich machen und eine neue Halle bauen, um Europa standesgemäß zu bewirten.
Jetzt haben unsere nördlichen Nachbarn, die sich am 18. Mai noch wie Hulle freuten, den Salat. Im ganzen Staate Dänemark ist etwas faul kein Ort auszumachen, an dem die Anhängerschaft über zwei lange Wochen gleichermaßen mondän feiern und bequem übernachten kann! Solche Probleme sprechen sich erfahrungsgemäß schnell rum, und schon zetern alle Fans und Offiziellen – das Horrorszenario zugiger Sommerhäuschen im platten Jütland vor Augen habend – und fordern mindestens eine Millionenstadt für die Austragung ihres Lieblingswettbewerbs. Bekanntermaßen hat Dänemark davon nicht so viele, eigentlich nur eine, und auch nur, wenn der gesamte Großraum Kopenhagens dazu gezählt wird. Egal – aber ausgerechnet dort findet sich nun keine wirkliche Bühne, auf die man die europäischen Möchtegernstars stellen könnte. Schnell hatte das seit 2001 ungeliebte “Parken-Stadion” abgewunken, wo man es sich wegen solch schriller Extravaganzen wie der Eurovision nicht noch einmal mit seinem großzügigsten Geldgeber, dem FC Kopenhagen, vergrätzen möchte.
Was also tun, wenn offensichtlich nur hingebungsvolle Fans, nicht aber Entscheider aus Politik und Wirtschaft das Unternehmen Eurovision unterstützen? Nun, für 2014 wird wohl kaum noch ein Weg um das ländliche Herning herum führen, doch danach sollte das Gewinner-ist-gleich-Ausrichter-Prinzip schnellstens eingemottet werden. Was danach kommen könnte, macht Olympia mit der Vergabe seiner Spiele vor, zelebriert das Ganze im Rahmen einer bunten Show und profitiert so von einer langfristigen Planung. Soll die EBU es doch einfach schamlos nachmachen! Dann können die schönsten Städte und größten Locations Europas auf Wochen okkupiert, dicke Bestechungsgeschenke für Funktionäre eingesackt und schwindelerregende Werbeverträge abgeschlossen werden. Der Alptraum, nach Minsk reisen zu müssen, bliebe allen Beteiligten erspart und sogar Lissabon und Valetta hätten endlich einmal eine Chance!