Brot und Spiele

Brot und Spiele

Selbst schuld. In der Nacht zum 15. Mai hatte sich das vereinte Schlagereuropa in einem Anflug von bislang ungewohnter Ernsthaftigkeit dazu entschlossen, einen auf politisch korrekt zu machen, wählte die anti-russische Krim-Gedächtnisnummer „1944“ in einem neuerdings inflationären Wertungsmarathon auf Platz 1 und gab dem Siegerland Ukraine als Hausaufgabe auf den Weg, den nächsten Contest 2017 bitteschön auszurichten.

So wollen es die wettbewerbseigenen Regularien, die der Gründungsvater Marcel Bezençon vor mehr als 60 Jahren zu Papier brachte. Nicht ahnend, dass nun – Mitte der weltpolitisch instabilen 2010-er Jahre – ein Land, das zu den ärmsten Europas zählt, sich in einem Bürgerkrieg befindet und Schwierigkeiten hat, eine freiheitlich demokratische Grundordnung herzustellen, dazu gedrängt wird, kommenden Mai den stets schrillen Gesangswanderzirkus zu beherbergen.

Doch hey, was machen die Ukrainer? Anstatt zu sagen „Sorry, aber wir haben gerade andere Probleme“ und die Ausrichtung des über die Jahre monströs gewachsenen und daher immer kostspieligeren Schlagerfestivals dankend abzulehnen, buhlen sie unverhohlen um Respekt und Anerkennung der Westeuropäer, indem sie weit im Vorfeld des zu erwartenden paneuropäischen TV-Traras ein eigenes mediales Spektakel eintüten. Unter dem – wohl der derzeitigen nationalen Rhetorik geschuldeten – martialischen Titel „Kampf der Städte“ schicken sie sechs Metropolen in den Ring, die sich demnächst mit eurovisionärem Flair aufhübschen wollen und dafür der staunenden Öffentlichkeit ihre infrastrukturellen Vorzüge in eigens produzierten TV-Sendungen präsentieren müssen.

Doch diese Form der ESC-Prostitution ist nicht ganz neu. Was noch 2011 in Düsseldorf hinter verschlossenen Türen gemauschelt, in Aserbaidschan ein Jahr später erst gar nicht hinterfragt wurde, entwickelte sich in den letzten Jahren zu einer größeren Herausforderung, als letztlich den zu Song Contest zu gewinnen: die ideale Lokalität für das Wettsingen zu finden. (Mehr über des Autors abgrundtiefe Abneigung gegenüber diesem nunmehr murmeltiergleich jedes Jahr aufs Neue nervenden Thema kann übrigens hier nachgelesen werden).

Die Anforderungen, die die Bewerber zur Krönung als ESC-Hauptstadt 2017 erfüllen müssen, werden von der EBU festgelegt. Sie sind nicht ohne und lassen sich dennoch an fünf Fingern abzählen:

  • zuvorderst braucht es eine Halle, die eine Kapazität für mindestens 7.000 Personen besitzt,
  • die sinnigerweise zudem über ein Dach verfügt (sonst wäre es ja auch keine Halle, sondern ein Stadion),
  • das Ganze bitte in direkter Nähe zu einem Pressezentrum für rund 1.500 Journalisten (oder solche, die sich dafür halten),
  • die wiederum mit den dann ebenfalls anwesenden Funktionären und Künstlern (schwupps sind das schon 3.000 Akteure) zu Beginn der Festivalwoche an einem stattlichen Ort (idealerweise ein altes Rathaus oder ähnliches) zu einem Sekt- Willkommensempfang paradieren können.
  • Abschließend verfügt die ESC-Megacity selbstverständlich über einen internationalen Flughafen, ein kunterbuntes soziales Leben wie z.B. Hipsterbars, Sterne-Restaurants, Upper-Class-Hotels und quirligen kulturellen Zentren, die gerne auch ein wenig landestypische Merkmale besitzen dürfen (aber nicht zu viele und bitte westeuropäischen Standards entsprechend).

„Nichts leichter als das!“ dachten sich neben den routinierten Hauptstädtern in Kiew einige nach ein wenig Publicity strebende Lokalpolitiker in Dnipro, Charkiw, Cherson, Lwiw und Odessa – sie alle wetteifern nun um eurovisionäre Ehren.

Dass bereits die Definition „internationaler Flughafen“ sehr dehnbar sein kann, dass die eigene Bevölkerung dem absehbar verschwenderischen Treiben eher skeptisch gegenüber steht, und dass der ukrainische Kulturminister noch im Juni höchstpersönlich zu Protokoll gab, die Regierung des maroden Landes wolle auf gar keinen Fall Staatsgelder für das Spektakel bereitstellen und biete abgesehen davon sowieso keinen geeigneten Standort, um den Eurovision Song Contest auszutragen – Schwamm drüber, hat keiner gehört.

Auch dass keine der Arenen – bis auf den Kiew Sportpalast, der jedoch zur fraglichen Zeit unseligerweise für ein Eishockeyturnier geblockt ist – über ein Dach verfügt, scheinen die Verantwortlichen geflissentlich übersehen zu haben (obschon sich der Widerwillen der EBU-Gewaltigen gegen Open-Air-Veranstaltungen hätte herumgesprochen haben müssen), tut es doch dem munteren Städteduell, das am 01. August in eine finale Entscheidung münden soll, keinen Abbruch.

Die Schlitzohren der EBU jedenfalls haben sich – wie aus gut informierter Quelle berichtet wird – währenddessen vom ukrainischen TV-Sender NTU schon einmal eine von der Regierung in Kiew gedeckelte Finanzgarantie in Höhe von 15 Millionen Euro zusichern lassen. Sie soll auf den Schweizer Bankkonten der Europäischen Rundfunkunion bis zum Abspann der Fernsehübertragung am 13. Mai 2017 eingefroren und nur dann verwendet werden, falls der Song Contest doch noch kurzfristig in ein anderes Land verlegt werden müsste.

Bis es soweit ist, feiert sich die Ukraine als popkultureller Nabel Europas. Willkommen in Wolkenkuckucksheim!

Foto: NTU

Wien wird’s

wien 2015 red

Weißer Rauch aus den Schornsteinen des ORF! Habemus Locum! Leider nicht im Festsaal der Wiener Hofburg wie Anno 1967, sondern in der praktischen Stadthalle der österreichischen Hauptstadt wird der 60. Eurovision Song Contest am 19., 21. und 23. Mai 2015 stattfinden.

Was für alle Anhänger des Wettbewerbs eigentlich von Beginn an auf der Hand lag, war für die Funktionäre des zuständigen Senders wohl doch keine so leichte Wahl. Denn aus dem Alpenland wurde während der letzten Tage Folgendes mehrfach kolportiert: Der Intendant Alexander Wrabetz habe sich zwar stets eindeutig für Wien ausgesprochen, allerdings sei er, durch die Spendierhosen der Bürgermeister der anderen Bewerberstädte Graz und Innsbruck, die plötzlich – im Falle ihrer Wahl – die Übernahme jeglicher Mehrkosten garantierten, in der Diskussion mit kleinlichen Kämmerern mächtig in die Defensive geraten. Wahrscheinlich auch, weil erst Anfang des Monats publik wurde, dass sich der diesjährige Gastgeber Kopenhagen ordentlich verrechnet hat und nun auf ca. acht Millionen Euro Schulden sitzen bleibt.

Doch zum Teufel mit der Vernunft, einmal im Jahr pfeift der Buchhalter gerne mal auf die Sparsamkeit und haut dann halt die ganze Portokasse auf den Kopf. Selbst wenn die Wiener ihrer Stadthalle den Charme eines russischen Bahnhofs attestieren, mit einer Kapazität für maximal 16.000 Zuschauer und ausreichenden Flächen für den Greenroom und andere Kinkerlitzchen war sie wohl ebenso der Favorit der EBU-Gewaltigen in Genf. Und der Liebling der Fans ist Wien sowieso. Vorerst sind also alle ob der Wahl glücklich und die Verantwortlichen des ORF werden spätestens im Sommer nächsten Jahres wissen, ob ihnen der Pleite-Coupe-Denmark erspart bleibt.

Nach der Klärung des „Wo?“ beginnen nun die nächsten brennenden Fragen mit „Wann?“ und „Wer?“. Wann gibt es Tickets? Wer moderiert? Der ORF macht jetzt erstmal Urlaub will diese Angelegenheiten innerhalb der nächsten Monate klären, daher konzentriert sich der eurovisionaer vorerst auf das Wesentliche und schließt für heute mit den Worten der legendären Erica Vaal, Moderatorin des Song Contest 1967: „Dass dem schönsten und besten Lied der Grand Prix zufallen möge, ist unser aller Wunsch.“


Kann ein Lied eine Brücke sein?!

brücke 2014leer
Der Vorsitzende der Eurovision Reference Group bei der EBU, Frank-Dieter Freiling, hat dieser Tage Jan Feddersen ein Interview gegeben, das unfreiwillig sehr präzise das Dilemma umschreibt, in dem der ESC und seine Verantwortlichen derzeit stecken. Freiling vertritt die Ansicht, dass der Song Contest – gerade vor dem Hintergrund der (politischen) Diskussion über Austragungsorte in Osteuropa und die damit verbundene (Un-)sicherheit der Teilnehmer und Fans – ein Event sei, bei dem das Gemeinsame und nicht das Trennende im Mittelpunkt stehe. Und für die kommende Ausgabe in Kopenhagen 2014 führt er bedeutungsschwanger gar den 100. Jahrestag des Ersten Weltkriegs als Grund an, um wirklich alle unter das Dach Eurovision zu ziehen.

Nun könnte man zwar zuallererst mal überlegen, ob nicht besser das Ende eines Krieges statt dessen Ausbruch „gefeiert“ werden sollte, aber lassen wir eine solch abschweifende Fragestellung in diesem Kontext beiseite… Fakt ist, dass der in den Nullern erfolgsverwöhnten EBU, als es immer neue eurovisionäre Rekorde zu vermelden gab, mittlerweile die Teilnehmer weglaufen. Einige organisieren bereits muntere Gegenveranstaltungen unter dem Kürzel „Türkvizyon“, anderen könnte Ähnliches in den Sinn kommen, wenn das (legitime!) Menschenrechtslamento der Westeuropäer anhält… vielleicht eine modernisierte „Intervision“?

Und schon beginnt der Spagat der hohen Herren in Genf: Natürlich finden auch sie Menschenrechtsverletzungen doof, wollen sich aber mit ihrer kleinen europäischen Gesangshitparade nicht in politische Angelegenheiten einmischen. Prompt pochen sie sowohl auf die „fernsehlogistischen Umstände“, als auch auf die These, der ESC sei „mehr als nur die TV-Übertragungen“. Gemäß dieser Argumentationskette könnte die EBU-Zentrale auch in Eriwan liegen. Doch Vorsicht: Wenn sie sich so gar nicht festlegen möchte und Diplomatie übergroß schreibt, kann es ihr passieren, dass zum Schluss sie keiner mehr so recht mag. Die westlichen Länder, weil sie eine klare Ansage vermissen, und die Osteuropäer, weil sie sich bevormundet fühlen.

Allerdings scheint mir die Unentschiedenheit der EBU nicht das einzige Problem der Eurovision zu sein. Über die Jahre hat sie sich zu sehr gehen lassen. Sicher, kleinere kosmetische Prozeduren wie die Jurywertung oder eine gesetzte Startreihenfolge hat sie mit sich machen lassen. Und doch das Wesentliche aus dem Blick verloren! Beispiele gefällig? Die Sieger der letzten beiden Jahre kannten wir z.B. aufgrund der Wettquoten schon im März. Das Voting, Herzstück des „Kults“ – wie Peter Urban sagen würde – ist mit fast 40 Wertungen zäh und schon nach wenigen Minuten vorhersehbar. Das Design der Shows (früher sagte man wohl Bühnenbild) austauschbar und langweilig – lediglich der Malmöer Catwalk sorgte hier für etwas Abwechslung. Von einigen Beiträgen, die in ihrer Einfallslosigkeit auch vor 40 Jahren hätten kompetieren können, mal ganz zu schweigen, aber dafür kann die Eurovisionszentrale nix… Die sinkendenen, aber schön gerechneten Einschaltquoten der letzten drei Jahre bezeugen jedenfalls, dass das Zuschauerinteresse nachlässt.

Die Dänen wollen nun eine heruntergekommene Maschinehalle besenrein machen und so der 2014-er Ausgabe ein neues Gesicht verleihen. Es scheint mir ein richtiger Ansatz zu sein, denn Hochglanz ist in Europa schon lange nicht mehr angesagt. Nun gilt es also, an der Show zu schrauben und sie für die Zuseher spannender zu gestalten. Wie wär’s mit einem Starterfeld von maximal 24 Ländern? Müssen wirklich alle am Finalabend ihren Senf ihre Punkte dazugeben? Reichen nicht auch wieder 24 Wertungen inkl. eines Rest-of-Europe-Votings? Kappt die Jurys und begrenzt die Anrufe auf höchstens drei je Beitrag! Ermuntert die nationalen Sender zu mehr Risikobereitschaft bei der Vorauswahl – lieber Winny Puuh statt Birgit Oigemeel!

Es könnte sein, dass so die berühmten zwei Fliegen zeitgleich ihr Leben lassen müssten, weil nach den entsprechenden Korrekturen möglicherweise wieder mehr rein in die Eurovision denn raus wollen. Und wer weiß, vielleicht schalten dann auch vier russische Teenager und zwei finnische Studenten und nicht nur die bosnische Hausfrau und der spanische Postbote ein… Wäre es denn ein Traum, wenn es sich ganz Europa unabhängig irgendwelcher Jahrestage einfach aus Spaß an der Freud an einem Abend des Jahres vor dem Fernseher gemütlich machen würde und so alle eurovisionären Probleme gelöst wären…?

Grafik: eurovisionaer

Jetzt geht die Party richtig los

Villa Kunterbunt - Wikimedia jdiemerleer
Mittlerweile ist es (fast) jedes Jahr das Gleiche: Kurz nach dem Gewinn beim Eurovision Song Contest füh­len sich die Verant­wortlichen des Siegerlandes als hätten sie eine überdimensio­nale Arschkarte gezo­gen, denn schon im Sommer beginnt tra­ditionell die Suche nach einem geeigneten Austrag­ungsort für die nächste frühjährliche Sause. Vor Jahr­zehnten nämlich hatte irgendjemand in das mehrere Bände umfassen­de Regelwerk der EBU gekritzelt, dass der Sieger auch den gan­zen Schlamas­sel die Organisati­on des Folge­contests am Hals hat. Punkt! Doch damit macht man sich letztlich in der Genfer Chefetage nicht die Hände schmutzig, sollen das doch die Deppen vor Ort erledi­gen.

Was bis Anfang der 2000er-Jahre mehr oder weniger reibungs­los funktionierte (und selten mal wegen aku­ten Geld­mangels oder wichtiger Feiertage außer Kraft gesetzt wurde), wird in den letzten Jahren ein wenig problemati­scher. Denn seitdem die Eurovision über die Jahre immer ge­waltigere Fanscharen und Horden von Medienvertretern an­zog, ging es nicht mehr dar­um, etwas großzügigere Ver­sammlungsräume im Hinterzimmer einer Vorstadt­kneipe eines Kon­gressgebäudes anzumieten. Mit zu­nehmender Po­pularität wurden Delegationen, Are­nen und Pressezen­tren immer größer, die Aufbauten immer gigantischer und die Probendurchläufe immer länger. Gleicherma­ßen wuchs das Verlangen der Be­sucher nach Desi­gnerunterkünften, einem spektakulär­en Rahmenpro­gramm und diversen ande­ren touristischen Kinkerlitz­chen.

Erstmals haben das die Deutschen 2011 zu spüren bekomm­en, als sie es nach monatelanger Recherche wag­ten, die Eurovisi­on ins provinzielle Düsseldorf zu verfrachten, anstatt den Hof­staat im glamourösen Berlin zu empfangen. Auch in diesem Jahr mussten sich die Verantwortlichen des schwedischen Fern­sehens für das beschauliche Malmö ent­scheiden und nicht für die riesige “Friends Arena” oder das liebge­wonnene “Globen” in Stockholm, das dummerweise schon für die Eishockey-WM gebucht war. Und selbst die strebsamen Aserbaidschaner mussten 2012 erst einmal ge­schwind die Vorstadtslums von Baku dem Boden gleich ma­chen und eine neue Halle bauen, um Europa standesgemäß zu bewirten.

Jetzt haben unsere nördlichen Nachbarn, die sich am 18. Mai noch wie Hulle freuten, den Salat. Im ganzen Staate Dä­nemark ist etwas faul kein Ort auszuma­chen, an dem die Anhänger­schaft über zwei lange Wochen gleichermaßen mon­dän feiern und bequem übernachten kann! Solche Proble­me sprechen sich erfahrungsgemäß schnell rum, und schon zetern alle Fans und Offiziellen – das Hor­rorszenario zugiger Som­merhäuschen im platten Jüt­land vor Augen habend – und fordern mindestens eine Millionenstadt für die Austra­gung ihres Lieblingswettbe­werbs. Bekannterma­ßen hat Däne­mark davon nicht so viele, ei­gentlich nur eine, und auch nur, wenn der gesamte Großraum Kopenhagens dazu gezählt wird. Egal – aber ausge­rechnet dort findet sich nun keine wirkliche Bühne, auf die man die eu­ropäischen Möchtegern­stars stellen könnte. Schnell hatte das seit 2001 ungeliebte “Par­ken-Stadion” abgewunken, wo man es sich wegen solch schriller Extravaganzen wie der Eurovi­sion nicht noch einmal mit seinem großzügigsten Geldgeber, dem FC Ko­penhagen, vergrätzen möchte.

Was also tun, wenn offensichtlich nur hingebungsvolle Fans, nicht aber Entscheider aus Politik und Wirtschaft das Unterneh­men Eurovision unterstützen? Nun, für 2014 wird wohl kaum noch ein Weg um das ländliche Herning herum füh­ren, doch danach sollte das Gewinner-ist-gleich-Ausricht­er-Prinzip schnellstens einge­mottet werden. Was danach kom­men könn­te, macht Olympia mit der Vergabe seiner Spiele vor, zelebriert das Ganze im Rahmen einer bunten Show und profi­tiert so von einer langfristigen Planung. Soll die EBU es doch einfach scham­los nachmachen! Dann können die schönsten Städte und größ­ten Lo­cations Europas auf Wo­chen okkupiert, dicke Beste­chungsgeschenke für Funktio­näre eingesackt und schwindeler­regende Werbeverträge abgeschlossen werden. Der Alp­traum, nach Minsk reisen zu müssen, bliebe allen Betei­ligten erspart und sogar Lissabon und Valetta hät­ten endlich einmal eine Chance!

Foto: Wikimedia / jdiemer

Vorgeschoben

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Das Finale des Eurovision Song Contest 2014 in Däne­mark wird nicht, wie ursprünglich gemeldet, am 17. Mai, sondern eine Wo­che früher stattfinden. Die end­gültigen Daten für den Eurovisi­onskalender sind somit der 06., 08. und 10. Mai 2014.

Ob die Ter­minverschiebung nun etwas mit dem deut­schen Ki­cker-Pokalfinale oder dem zeitgleich in Her­ning gei­genden Hol­länder zu tun ha­ben, ist nicht be­kannt. Immer­hin gilt das jütländi­sche Städt­chen mit seiner 15.000 Zu­schauer fassen­den Boxen Arena weiterh­in als favorisierter Austragungsort. Allerdings sieht es mit der Verkehrsanbindung und den Übernachtungsmöglich­keiten etwas mau aus. Ähnliches gilt für den Bewerber Horsens, der das noch zu überdachen­de Freigel­ände des ehemaligen Gefängniss­es Fængs­let als Veranstalt­ungsort für 13.000 Besu­cher an­bietet. Und nach der Ab­sage des Par­ken-Managements, das lieber Fußball denn Schlagersän­ger in seinem Stadion sieht, will sich die Haupt­stadt Kopen­hagen nicht lum­pen lassen und bietet zwei ebenfalls recht verrückte Locations an: Zelte vor den Türen des verantwortli­chen Senders DR sowie Hallen der ehemalig­en Ma­schinenfabrik B&W.

Die Entscheidung darüber, wo die eurovisionaere Cho­se letzt­endlich abgehalten wird, soll im Spätsom­mer getroffen werden. Die traditionsbewusste EBU schlägt dann wahr­scheinlich alle Hände übern Kopf zusam­men und sehnt sich wieder nach ei­nem osteu­ropäischen Veranstalter zurück, der eigens für die Eu­rovision mal so eben ruckzuck eine neue Halle baut…

Grafik: Eurovisionaer

A far l’amore comincia tu

Bereits letzte Woche fand in Genf ein Treffen der EBU mit Vertretern des aserbaidschanischen Fernsehsenders Ictimai TV statt, dessen Ergebnisse erst jetzt veröffentlicht wurden. Oder auch nicht. Während Deutschland sich im Sommer 2010 damit begnügte zu überlegen, wo man denn die Eurosause stattfinden lassen möchte und man sich glücklicherweise während eines längeren Altbierrausches für Düsseldorf entschied, steht hinter Baku 2012 immer noch kein Ausrufe-, sondern weiterhin ein Fragezeichen. Natürlich wird das so nicht offiziell kommuniziert. Vielmehr wird auf die lizensierte Verwendung des Logos und sehr ausführlich auf die seitens des Organisators einzuhaltenden Sicherheitsgarantien im Rahmen des Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verwiesen. Hm…vielleicht bekommt Ola Sand doch noch kalte Füsse. Visazwang, Teilnahmebedenken seitens Armenien und Israel, Zeitverschiebung und eine noch nicht gebaute Veranstaltungshalle machen ihm derzeit wohl schwer zu schaffen. Anders kann man sich nicht erklären, dass erst eine Woche nach dem Delegationstreffen Presseinformationen verbreitet werden.
Eine wie diese zum Beispiel: Das vorzeitige Televoting (Abstimmung mit Beginn des ersten Beitrags) wird nach zwei Jahren wieder abgeschafft. Die Zuschauer habens einfach nicht kapiert und trotzdem erst nach dem letzten Song angerufen, was man sich zwar schon vorher denken konnte, aber eine offizielle Analyse schadet ja nie. Bei der ist dann auch herausgekommen, dass die ständigen großformatigen Einblendungen der Telefonnummern so sehr abgelenkt haben, dass keiner mehr richtig zuhören bzw. die Darbietung der Interpreten nur eingeschränkt aufnehmen konnte. Das sind ja immerhin mal Neuigkeiten!
Machen wir im Alltag ja manchmal auch: Wenn wir irgendwas partout nicht erzählen wollen, quatschen wir einfach einen anderen Sermon, denn das lenkt die Zuhörerschaft ab. Allerdings funktioniert das auch da nicht auf Dauer, denn irgendwann hakt einer nach. Bei der EBU wahrscheinlich auch, denn spätestens beim nächsten Treffen der Reference Group, das für Mitte August in Baku angekündigt ist, wollen wir schon wissen, ob wir uns alternativ auf die italienische Variante von Organisationstalent im Rahmen einer Show „Fulll off Tekknick änd full off Soooool“ des diesjährigen Zweitplatzierten einstellen müssen. Und wer erinnert sich nicht gerne an verrostete Kommentatorenkabinen und gestenreiche Moderationen Anno 1991 in Rom? Mit so einem As im Ärmel wird die EBU die Aserbaidschaner schon gefügig machen!


The Politics of Eurovision….

Der Eurovision Song Contest ist ein Wettbewerb zwischen Rundfunkanstalten und nicht ein Wettbewerb zwischen Ländern. Alle aktiven Vollmitglieder der EBU können an dem Wettbewerb teilnehmen. Der öffentliche Fernsehsender von Aserbaidschan Ictimai TV ist Vollmitglied der EBU und kann sich daher an Eurovisionssendungen beteiligen. Nachdem er in diesem Jahr den Contest gewonnen hat, hat der Sender das Recht, den nächsten Eurovision Song Contest für die EBU auszurichten und zu produzieren. Mit Sicherheit stellt sich in diesen Tagen auch bei der Europäischen Rundfunkunion die Frage, ob es sich verhindern lässt, den Eurovision Song Contest im kommenden Jahr zu einer Propaganda-Veranstaltung für den Əliyev-Clan werden zu lassen.

So äußerte sich in einem Interview der Song Contest-Supervisor Jon Ola Sand, der zwar unser Liebling ist, an dieser Stelle jedoch ein wenig Rückgrat vermissen liess. Damit konfroniert, dass Mehriban Əliyeva, Frau des Präsidenten von Aserbaidschan das Organisationskomitee in Baku leitet, sagte Sand:

Wir reden ausschließlich mit ictimaiTV. Ich kann nichts darüber sagen, was die Frau des Präsidenten macht. Ich weiß nichts darüber. Ich bin sicher, auch in Aserbaidschan wird es intensive Gespräche geben, wie der Contest am besten geplant und ausgerichtet werden kann.

Ähnlich wie in Düsseldorf gibt es mittlerweile auch in Aserbaidschan eine Taskforce, die sich mit den wichtigen Inhalten rund um die Organisation des Wettbewerbs auseinandersetzt, auch wenn diese von vielen Ministern und Oligarchen besetzt ist. Auf die Regeln der EBU angesprochen sagte Sand, dass es klare Vorgaben bezüglich der Redefreiheit gibt und dies für Fans, Delegationen und Journalisten gilt. Garantien für die Sicherheit der Anreisenden werde die EBU aber nicht übernehmen, dafür werde allerdings der Sender iTV in die Pflicht genommen.

Und während Armenien bereits seine Teilnahme im nächsten Jahr wegen des Nagornyj-Karabach-Konflikts abgesagt hat, Israel nicht nur feiertagsbedingt zögert, befürchten einige Eurovisionsanhänger bereits einen größeren Boykott. Nicht so unser aller Ola:

Nein. Und dafür gibt es bislang auch keine Anzeichen. In Oslo nahmen 39 Nationen teil, in Düsseldorf waren es 43. Keiner kann zu diesem Zeitpunkt sagen, wie viele es in Baku sein werden.

Foto: EBU / FredricArff

Nach dem Spiel is vor dem Spiel…

Eurovisionskalender aufgeschlagen! Die EBU hat die vorläufigen Termine für nächstes Jahr mal so ganz vorläufig festgelegt. am 22., 24. und 26. Mai soll der Contest 2012 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, ausgetragen werden. Eine endgültige Entscheidung soll aber erst am 20. Juni im Rahmen der turnusmäßigen EBU-Sitzung in in Genf fallen, also noch keine Flüge buchen…