Eigensinnige Polen

Eigensinnige Polen

Michał Szpak | Color of your Life

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Bar jeder Vernunft (wie sich erst später herausstellte) vermeldete der polnische TV-Sender TVP im Januar, dass er seinen Kandidaten 2016 ausnahmsweise nicht – wie von allen angenommen – hinter verschlossenen Türen bestimmen werde. Statt dessen wurde am 05. März ein kurzerhand aus dem Ärmel geschüttelter Vorentscheid zelebriert, für den sich etliche nationale Größen, unter ihnen gar die heilige “The Voice” Edyta Gorniak (ESC 1994), angemeldet hatten. Ihr zur Seite – und spontaner Liebling aller Hardcorefans von Lissabon bis Wladiwostok – die eine Generation jüngere Margaret, eine Mischung aus Castingsternchen und veritabler Sängerin. Alle, wirklich alle Experten waren überzeugt, einen Zweikampf zwischen den beiden werde es geben.

Doch dann zogen die siegessicheren Diven verdammt lange Gesichter, denn überraschenderweise gewann der harmlos osteuropäische Schmusepop “Color of your Lifevom Warschauer Wolle Petry von Michael Szpak und eben nicht die in die Jahre gekommene Powerballade oder der hüftsteif vorgetragene Möchtergern-Rihanna-Abklatsch. Dieser Vorentscheidungsnervenschocker führte nicht nur zu einem spitzen, nicht enden wollenden Aufschrei in allen Fanforen, er ist außerdem für die Überschrift “Dümmer geht’s nimmer” wie gemacht, da Polen – in freudiger Erwartung eines tatsächlichen Smashers – schon vorzeitig als Topfavorit auf den ESC-Gesamtsieg gewettet wurde – doch das war vor eben jener samstagabendlichen Entscheidung. Seitdem pendeln sich die Quoten wieder im Mittelmaß ein, unterschätzen sollte man den langhaarigen Mädchenschwarm jedoch auch in Stockholm nicht.

Bestes Mal: Edyta Gorniak| To nie ja!

Letztes Mal: Monika Kuszyńska | In the Name of Love


Fliegen die Polen aus der Eurovision?

Während die EU gestern u. a. wegen der Umstrukturierungsmaßnahmen der öffentlich-rechtlichen Medien durch die polnische Regierung deren Rechtsstaatlichkeitsüberprüfung eingeleitet hat, droht weiteres Ungemach durch die in Genf ansässige EBU. In ihr sind 95 Medienanstalten (staatliche bzw. private, die einen öffentlichen Informationsauftrag haben) zusammengeschlossen, so auch der TV-Sender TVP.  Die bekannteste Produktion der Organisation ist der jährlich stattfindende Eurovision Song Contest.

Sollte die polnische Führung Kontrolle über öffentliche Medien ausüben, könne das Land von diesem Wettbewerb ausgeschlossen werden, so der EBU-Präsident Jean-Paul Philippot. Bereits im Dezember hatte die EBU den polnischen Präsidenten Andrzej Duda aufgefordert, den von der Regierung eingebrachten Entwurf nicht zu unterschreiben, da er die Integrität und Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien als Symbol eines freien und demokratischen Land gefährde. Vergeblich, denn mittlerweile ist das Gesetz in Kraft getreten.

Auf die Brüsseler Kritik reagierte die polnische Regierung bislang gelassen. Die Anschuldigungen der Kommission seien ungerechtfertigt und lasse linke politische Motive erkennen. Ähnlich argumentierte Ungarn, als deren Präsident Orban vor einiger Zeit versuchte, ein vergleichbares Mediengesetz durchzudrücken, dann aber zurückruderte. Doch ein Blick auf die parteipolitische Landkarte Europas lässt erahnen, dass künftig mit weiteren rechten Vorstößen zu rechnen sein wird. Zweifelsfrei werden sich diese auch auf die bislang heile, liberale ESC-Welt auswirken.

Doch vorerst zurück zu den Polen: Jacek Kurski, PiS-Politiker, selbsternannter „Bullterrier“ und neuer Chef des öffentlich-rechtlichen Fernsehens TVP, gilt laut politico.eu schon jetzt nicht gerade als Freund des ESC. Conchita Wurst, Siegerin des Contests 2014, bezeichnete er als „einen Kerl, der sich ein Kleid anzieht und einen Bart aufklebt“. Dessen Auftritt habe „elementare Prinzipien des guten Geschmacks sowie die Prinzipien der polnischen Familie verletzt“.

Wir erinnern uns: Im selben Jahr entsandte Polen dralle, spärlich bekleidete Bäuerinnen auf die eurovisionäre Kopenhagener Bühne, damit sie dort zur Freude aller sabbernden Heten Europas Butter stampften und Wäsche schrubbten. Vermutlich war Herr Kurski von diesem geschmackvollen Auftritt begeistert.

Indes, die Mühlen der Verwaltung mahlen bekannterweise langsam, daher ist mit Sanktionen seitens der EBU für den kommenden Wettbewerb wohl kaum zu rechnen. Bleibt also abzuwarten, welchen familienfreundlichen Beitrag Polen im Mai nach Stockholm schicken wird. Denn dieser soll senderintern, ganz ohne öffentliche Befragung der heimischen Zuschauer, bestimmt werden…

Update: Heute Abend übrigens hat die EBU prompt ihr forsches Auftreten dementiert: Monsieur Philippot habe sich in dem besagten Interview versprochen. Die EBU ziehe nicht in Betracht, die polnischen Sender (unter ihnen TVP) auszuschließen. Vielmehr sei ihr daran gelegen, mit den assoziierten Mitgliedern zusammen zu arbeiten. Polens Teilnahme am diesjährigen Song Contest sei sicher.

So gehört sich das auch in unserer schönen neuen Welt.

Foto: EBU / Andreas Putting

Heute geht’s um die Wurst

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In wenigen Stunden werden die restlichen Finalplätze in Kopenhagen ausgesungen, bevor am Samstag schließlich ein Deckel auf den 2014-er Song Contest in Dänemark gemacht wird. Betrachtet man die Starterliste, dürfte es kurz vor 23 Uhr in der Kopenhagener Arena voraussichtlich ruhiger als am Dienstag zugehen, sofern sich das plötzliche weltpolitische Interesse der ESC-Gemeinde nicht auch noch auf die (angeblich) letzte europäische Diktatur Weißrussland fokussieren sollte.

Indes, aus musikalischer Sicht verspricht das anstehende Halbfinale wirklich interessant zu werden: Norwegen, Israel, Griechenland, Polen und Malta haben ausgesprochen hörenswerte Nummern am Start und verzichten daher – dem Himmel sei Dank – auf einen weiteren peinlichen Perückenweitwurf. Und dann ist da ja noch Österreich! Conchita Wurst wird endlich beweisen dürfen, ob es sich in der Kombination aus hautengem Abendkleid und kernigem Vollbart gut singen lässt. Doch der vordergründigen Provokation zum Trotz, hat sie mit „Rise like a Phoenix“ auch einen achtbaren Song im Gepäck. Noch besser jedoch gefällt mir die Denke der österreichischen Dragqueen, die in den vergangenen Wochen in Interviews und Statements gezeigt hat, wie wunderbar intelligent und respektvoll sie auf dumpfe, reaktionäre Anfeindungen reagieren kann.

Wenn unser Kontinent dieser Tage etwas wirklich nötig hat, dann ist es eine fette Portion Toleranz und Respekt. Hoffentlich denkt Europa heute Abend daran.

Foto: EBU / Andreas Putting

Polen heterosiert den Song Contest

Tittenalarm!!! So viele eng geschnürte weibliche Brüste gab es wohl noch nie in einem eurovisionären Videoclip zu sehen – und die ESC-Anoraks reiben sich derweil ungläubig die Augen! Polens Beitrag 2014 scheint der Anfang einer groß angelegten Offensive unsere östlichen Nachbarn jenseits der Oder zu sein, der angeblichen Verschwulung alltäglicher Lebensbereiche den Kampf anzusagen. Da sind sie bei der Eurovision ja grad richtig!

Heute meldete das polnische Fernsehen TVP, dass es das Duo Donaton & Cleo mit dem Titel „My słowianie“ zum 59. Song Contest schicken wird. Deren witziges Video klickten seit Oktober 2013  über 39.000.000 Youtuber, was wohl den Sender dazu verleitete, die Interpreten des in der Heimat so überaus erfolgreichen Turbofolk zu bitten, nach Kopenhagen zu reisen. Insider behaupten, das habe die Künstler anfänglich recht kalt gelassen hat und sie baten, die Entscheidung einige Nächte überschlafen zu dürfen. Jetzt ist aber mit einer Englisch-Polnischen Version alles geritzt und wir dürfen uns auf zeitgenössische Popmusik freuen, die ihren geografischen Ursprung ganz und gar nicht verleugnet. Alles deutet darauf hin, dass die Polen nach Jahren der Enthaltsamkeit, während der sie die eigenen eurovisionären Fehlentwicklungen überdenken durften, ihre Lektion mehr als gelernt haben. Bardzo dobrze!


Polen ist das neue Italien!

Das ist ja mal eine Überraschung! Polen, das sich scheinbar auf immer und ewig von der Eurovision zurückgezogen hatte, ist nach zwei Jahren der Abstinenz beim Wettbewerb in Kopenhagen wieder dabei! Während also die einen gehen (Bulgarien, Serbien, Zypern und Kroatien), kommen die anderen (Bosnien & Herzegowina, Portugal und jetzt Polen) zurück und erfreuen damit so manches Fanherz. Mit diesem ganzen Hin-und-her wird der 2014-er Contest definitiv in die Geschichte eingehen, und wer weiß, wen der Ola noch alles belatschern konnte mitzumachen. Endgültige Klarheit hierüber sollte es nach dem 15. Dezember geben, wenn die bislang provisorische Teilnehmerliste festgezurrt wird. Danach darf sich nämlich nur noch abmelden, wer außerordentliches Divapotenzial hat und eine Geldstrafe zahlt.


35 – wer bietet mehr?

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Am heutigen Freitag, 22. November 2013, verstreicht die Meldefrist für die Teilnahme zum Eurovision Song Contest 2014 in Dänemark. Bislang haben 35 Länder gemeldet, auf den letzten Drücker nun auch Armenien und Aserbaidschan. Zur großen Freude des Eurovisionaers verkündete vergangene Woche zudem Bosnien & Herzegowina, dass es nach der einjährigen Pause wieder zum Contest nach Kopenhagen reisen wolle.

Abgesehen von den Griechen, deren Frist mangels eines staatlichen Fernsehsenders von der großzügigen Tante EBU verlängert wurde, fehlen damit noch die möglichen Nachzügler Serbien, Slowenien und Moldawien. Ach und Polen! Unsere östlichen Nachbarn allerdings fanden schon in den vergangenen Jahren genügend fadenscheinige Ausreden, dem musikalischen Europatreffen fernzubleiben. Wahrscheinlich ist es dieses Mal der verpatzte Klimagipfel, für den man die letzten Złotys auf den Kopf gehauen hat.

Update: Mittlerweile sagte Serbien ab, Modawien und Slowenien zwar zu (beide sind sich aber noch nicht ganz sicher), während Bulgarien nach einer ersten Zusage nun doch absagte. Polen hält sich weiterhin ganz raus. Wer da noch den Überblick behalten möchte, klickt am besten hier.

Grafik: eurovisionaer

Zehn kleine Negerlein

ESC Teilnehmer 2013Da tönen die Schweden, sie wollen 2013 einen kostengünstigen und reduzierten Song Contest hinlegen, sparen dabei an allen Ecken und Enden wie Halle, Moderation, Bühne und Auslosung, und währenddessen beschließt hinterrücks die böse EBU höhere Entgelte für die teilnehmenden Nationen! In der Folge verabschieden sich immer mehr potentielle Beitragszahler: Nach den ewig zaudernden Tschechen und Slowaken beschlossen zuerst Polen und Portugal sich dem Spektakel zu verweigern, nun wollen auch Bosnien-Herzegowina und gar die Türkei zu Hause bleiben.

Allmählich wird es sehr schmerzhaft, waren beide Nationen in den vergangenen Jahren doch fast ausnahmslos mit wahrhaftig eurovisionären, den Wettbewerb aufwerteten Beiträgen am Start. Aber offensichtlich müssen in Zeiten der an jeder Ecke lauernden Finanzkrise Europas TV-Sender mittlerweile sparen, was das Zeug hält. Leider hat sich das noch nicht bis zur EBU nach Genf herumgesprochen. Andererseits wird nirgends wirklich offen gelegt, was den Anstalten der Spaß denn überhaupt kostet und ob ein abendfüllender Song Contest tatsächlich so viel unerschwinglicher als beispielsweise das samstägliche Volksmusikgedudel mit Florian Silbereisen ist…

Wenn denn das liebe Geld also überhaupt der Grund ist. Zwar führten bislang lediglich die Türken die in den letzten Jahren eingeführten Neuregelungen wie z. B. Jury-Voting als Grund ihrer Unzufriedenheit an, möglicherweise gibt es aber auch andere Länder, bei denen das Zufriedenheitsbarometer in den Keller sinkt. Augenblicklich kann die aktuelle Teilnehmerliste daher schon in zehn Minuten wieder hinfällig sein, zumal einige Nationen wie Griechenland, Zypern, Bulgarien und Slowenien immer noch zögern, eine endgültige Meldung abzugeben. Nun sollen bis Jahresfrist Nägel mit Köpfen gemacht werden: Dann nämlich will die EBU das verbindliche Starterfeld benennen.

PS: Ja! Ja! Ja! Diese Headline ist sowas von politisch unkorrekt….

Foto: Clker