Je suis Oh-Stralia!

Je suis Oh-Stralia!

OH_STRALIABreaking News in Eurovisionia! Australia darf entgegen des gesamten EBU-Regelwerks ein einziges Mal nicht nur zuschauen, sondern auch mitsingen, segelt direkt ins Finale und darf in zwei Semis werten! Das ist zu viel für die eurovisionäre Fan-Seele, die lauthals „Skandal!“ schreit, weil ihre kleine Welt aus den Fugen gerät, als gäbe es auf diesem Planeten nichts Wichtigeres zu reklamieren …

So what? Jon O-la-la hat schon recht, wenn er zur größten europäischen Party so richtige Partyanimals einlädt, die an der traditionsreichen Sause offensichtlich Spaß wie Bolle haben. Die nicht verkniffen nach nachbarschaftlichen Verhältnissen, sondern nach individuellem Geschmack werten. Für die der Wettbewerb nicht alljährliches Pflichtprogramm ist, das der NDR man mal eben runterspult. Die nicht allein deswegen dabei sind, weil sie ein scheinbar anderweitig nicht zu befriedigendes nationales Ego zur Schau stellen müssen.

Und die die Kosten, an denen sie sich wohl oder übel beteiligen müssen, nicht bejammern, wie so mancher, der in den vergangenen Jahren bzw. Monaten wegen genau dieser seinen Rückzug erklärte. Ein kurzer Exkurs: Kürzlich wurde bekannt, dass Spanien, immerhin Mitglied der elitären Big-5 und daher einer der größten Einzahler, für den Wiener Contest 356.000 Euro bezahlen muss (kleinere Staaten wie z.B. Rumänien steuern angeblich knapp über 100.000 Euro bei). Dafür füllen die Spanier, wie alle anderen Mitspieler auch, über sieben Stunden Sendezeit und erzielen aller Wahrscheinlichkeit nach am fernsehheiligen Samstagabend eine mega Einschaltquote. Ein Vergleich aus deutschen Landen – „Wetten, dass“ kostete ca. 2 Mio. Euro. Auch auf die kleineren, schwächeren Länder der EBU heruntergebrochen, handelt es sich beim ESC also entgegen aller Gerüchte um ein relativ kostengünstiges Programm, das zudem Eventcharakter hat, für Schlagzeilen sorgt und die heimische TV-Nation einbindet und aufwühlt. Wollen wir also bei der Wahrheit bleiben: Wer da nicht mitspielen mag, ist mittlerweile EU-Mitglied hat einfach keine Lust mehr, anstatt – wie vorgeschoben – keine ausreichenden finanziellen Mittel. Nun aber wird genau diese Karte gezogen: Bulgarien, Kroatien, Bosnien und andere müssten zu Hause bleiben, weil die EBU bestimmte Nationen – noch dazu außereuropäische! – in Hinterzimmern hofiere.

Das ist kleinkariert gedacht und verkennt die Werte, die die Show seit ihren Anfängen in den 50er Jahren hoch hält: sich für einen Abend im Mai vor den Fernsehern europa- (und nun halt welt-) weit zu versammeln, in einem kleinen Wettbewerb zu messen, fremde Kulturen besser zu verstehen und einfach einmal ohne Grenzen im Kopf zu denken. Natürlich ist das ein Ideal, das der Wirklichkeit nicht immer standhält. Natürlich werden auch die Aussies allein aus purem Nationalstolz ihr Bestes geben wollen. Aber jetzt den Spielverderber rauskehren, auf Regeln pochen, die angeblich nicht mehr gehalten werden, das zeugt von platter Rechthaberei und einfältiger Intoleranz. Beides gibt es im wahren Leben schon zur Genüge und allein daher hat es nach Ansicht des eurovisionaers bei seinem Lieblingsfestival nun rein gar nichts zu suchen.

Die EBU hat in den vergangenen Jahrzehnten häufig genug an starren, dösigen Regeln festgehalten und so zum Beispiel die wunderbare Amina 1991 um einen mehr als verdienten Sieg gebracht. Ist es nicht schön, dass selbst die Funktionäre jetzt im 60. Jubiläumsjahr die Freude am Spielen für sich entdeckt haben und – ganz altersweise – ein wenig nachsichtiger werden?

Grafik: eurovisionaer


Neue Regeln: EBU zieht blank

Rules 2014Es geht also doch! Punkteschiebereien, Abstimmungsabsprachen, Stimmenkauf, schlechte Presse und Fangezeter waren wohl der Grund, dass sich die EBU heute endlich entschloss, das Song-Contest-Regelwerk an einigen Stellen zu überarbeiten. Wie von den Fans schon lange gefordert, soll mehr Transparenz nun plötzlich doch der Schlüssel sein, um Diskussionen über Unregelmäßigkeiten beim Wertungsverfahren ein für alle Mal einzugrenzen. Im Einzelnen handelt es sich jedoch um Änderungen, die hauptsächlich das Juryvoting betreffen:

  • Die Mitglieder der 5-köpfigen nationalen Jurys sollen am 1. Mai 2014 öffentlich benannt werden, zudem müssen die Kommentatoren während der Finalshow die Jurymitglieder namentlich vorstellen. Ebenfalls gilt ab 2014 eine zweijährige Sperre für Juroren – wer also schon einmal 2013 oder 2012 mitgevotet hat, muss nun pausieren (anders als Valentina Monetta).
  • Um die Zusammensetzung der Ergebnisse transparenter zu gestalten, wird im Anschluss an die Show die Wertung eines jeden Jurymitglieds auf eurovision.tv veröffentlicht. Dort werden ebenfalls die sogenannten Splitvotings (reines Jury und reines Televoting) veröffentlicht.
  • Zum guten Schluss soll auf dem bereits genannten offiziellen Onlineportal zusätzlich ein Bereich geschaffen werden, in dem sowohl Jurymitglieder wie auch Zuschauer Wertungsauffälligkeiten melden können.

Die Veröffentlichung aller Ergebnisse ist sicherlich ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ob sich künftig jedoch je Land 5 Musikschaffende finden werden, die ihre Wertung dem Internet-Bashing-Mob zur Verfügung stellen möchten, sei dahingestellt. Mary Roos wird nach den Erfahrungen beim diesjährigen deutschen Vorentscheid wahrscheinlich dankend ablehnen. Und der Televotingstimmenkauf ist über diese Regeländerungen weiterhin möglich. Immerhin versprach Ola Sand, Supervisor des ESC, dass noch einige Ergebnisse des Jahrgangs 2013 untersucht werden und die EBU im Falle des Betrugs die Betreffenden achtkantig vor die Tür setzen reagieren werde.

Grafik: EBU