Säuselnde San-Marinesen

Säuselnde San-Marinesen

Serhat | I didn’t know

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Nach einigen Jahren der Siegelschen Fremdherrrschaft hat sich der Zwergstaat San Marino einstweilen an einen türkischen Medienclan verraten und verkauft, der nicht allein den obligatorischen fetten Scheck, sondern sogleich einen eigenen Künstler namens Serhat in die unsägliche Allianz einbrachte. Traumhaft. Ein in seiner Heimat erfahrener Megastar, der die erfolglosen Jahre, als man sich mit einer drittklassigen Sängerin zufrieden gab, vergessen lassen sollte.

Schade nur, dass man bei dem Deal weniger Augen- und Ohrenmerk auf den USP des Pakets, den Song, legte, denn “I didn’t know” dürfte als einer der bizarrsten, will sagen, grottenpeinlichsten Beiträge in die ESC-Wettbewerbsgeschichte eingehen. Punkt. Dieses vernichtende Urteil fällt der ausnahmsweise mal hartherzige eurovisionaer, selbst wenn er bei dem Titel eine stilistische, strafmildernde Nähe zu der von ihm seit Kindertagen verehrten und für ihr Säuseln weltbekannt gewordene Amanda Lear ausmachen kann. Doch auch dieser Umstand wird ihn nicht dazu verleiten, sich das – von der sanmarinischen Delegation in einem Anfall von Panik nunmehr auf Disco umgetrimmte – Machwerk erneut zu Gemüte zu führen, hat er doch seit der ersten Sichtung des dazugehörigen Videos Alpträume ob der akustischen Nötigung durch den Monokel-geschmückten grenzdebilen Dschinn.

Bleibt nur zu hoffen, dass für die kleine, angeblich älteste Republik der Welt am Ende dieses Schmierentheaters zwar kein Ruhm, aber wenigstens genügend Knete übrig bleibt, damit nicht auch noch die heimatlichen Jurystimmen an die vermutlich meistbietenden Azeris verhökert werden müssen …

Bestes Mal: Valentina Monetta | Maybe (Forse)

Letztes Mal: Anita Simoncini & Michele Perniola | Chain of Lights


Endspurt

Die Vorentscheidungssaison liegt in den letzten Zügen. In der bald ablaufenden Woche purzelten zahlreiche Neuveröffentlichungen all jener Teilnehmer, die Lieder und Künstler ohne den Umweg der Zuschauerbefragung nominierten, über uns herein. Mehrheitlich von recht mickriger Qualität, hört man den Songs an, dass sie sich keinem nationalen Wettbewerb stellen mussten. Tausendmal gehört, mittelmäßige Konfektionsware – wie wir sie halt aus den Charts Europas zur Genüge kennen.

Ein Teil der Fanboys bejubelt die (von den Plattenfirmen gesteuerte) Hinwendung des Contests zur aktuellen, kommerziell verwertbaren Popmusik. Was ja auch, verglichen mit den dunklen 90er Jahren, als sich niemand mehr für den drögen ESC interessierte, zunächst einmal recht funky ist. Bedauernswerterweise verleugnen jedoch ein Großteil der Wettbewerbsbeiträge 2016 ihre nationale Eigenheiten dermaßen konsequent, büßen Ecken und Kanten ein und geben kaum noch Anlass für Spott und Häme, dass einem die Tränen in die Augen schießen. Denn gerade die Schadenfreude ist es, die für den bestens amüsierten Zuschauer seit Jahrzehnten den Kultcharakter der musikalischen Europameisterschaft ausmacht.

Da können wir von Glück reden, dass ausgerechnet der Zwergenstaat San Marino für den dringend überfälligen Trashfaktor sorgte. Dessen Beitrag „I didn’t know“, von der fleischfarbenen Badekappe Serhat ins Mikro gemurmelt, erarbeitete sich binnen Stunden nach Veröffentlichung das Prädikat „Schlechtester ESC-Song aller Zeiten“. Andere, wie die maltesische Ira Losco, erheitern die Beobachter, da sie trotz Vorentscheidungsgewinn im Januar nunmehr seit Wochen einen Songtausch ankündigt. Über 30 Kompositionen habe sie aufgenommen, die allesamt das Zeug zum internationalen Sieg hätten. Schade nur, so erzählt man sich, dass die eiligst angefragte Expertenrunde ihr anriet, den ganzen Zirkus zu lassen und einfach bei der vom heimischen Televoter abgenickten Wahl zu bleiben.

Ähnlich verzweifelt müssen all jene eurovisionäre Has-Beens sein, die zu allem Überfluss den diesjährigen Contest fluten. Kaliopi, Poli, Greta, Deen und eben jene Ira lassen sich von nichts und niemanden beirren und wollen es nun mit letzter Kraft versuchen, den heiligen ESC-Thron zu besteigen. Andere, heißen sie Edyta, Kallay oder Mihai, blieben schon im Vorlauf auf der Strecke und gaben danach die brüskierten, schlechten Verlierer. Offensichtlich sind sie alle von einem heimtückischen, nicht-heilbaren ESC-Virus erfasst. Da diese Seuche jährlich schlimmer wird, sollten daher alle verzweifelte Veteranen demnächst – als Ergänzung zum spleenigen Junior-Format – im Rahmen eines eigenen Seniorwettbewerbs behandelt werden.

Vorerst jedoch gilt es, die letzten Schäfchen in Schweden, Litauen, Aserbaidschan und Bulgarien einzusammeln. Die stolzen Skandinavier jedenfalls, von vielen für ihr gigantisches Mello geliebt und vergöttert, können schon jetzt vor Kraft kaum laufen. Größenwahnsinnig (geworden?) posaunen sie heraus, die irische ESC-Rekordsiegesserie einstellen zu wollen. Selbstverständlich gehen sie daher fest von einem weiteren Erfolg für Sverige in Sverige aus. Dafür lässt beispielsweise das favorisierte, aber stimmlich eher schwerstbehinderte Duo Samir und Viktor im morgigen Finale fast alle Hüllen fallen, um die Festivalbühne schlussendlich in Boxershorts zu verlassen.

Ob Europa darauf gewartet hat?

Foto: gemeinfrei