Nachgetreten

Nachgetreten

In der Stuhlkreisrunde „3 nach 9“  durfte sich dieser Tage Stefan Dettl, Sänger der Gruppe „La Brass Banda“, lang und breit zu seinem Vorentscheidungstrauma äußern. Es war mal wieder eine gewohnt heuchlerische Talk-Inszenierung. Denn während sich Moderator Giovanni di Lorenzo nach Leibeskräften mühte, das ach so ungerechte Endergebnis zu skandalisieren – und dabei von einer geifernden und wohl noch aus der letzten Diskussion dort sitzenden Claudia Roth lautstark unterstützt wurde – versuchte Dettl den Ball halbwegs flach zu halten. Wohl wissend, dass das Radiovoting von seiner Fanbase maßgeblich beeinflusst wurde und auch das Televoting allein nicht vor der ach so ignoranten Jury geschützt hätte. Aber der öffentlich-rechtliche Rundfunk verdreht da ganz gerne mal die Tatsachen. Und auch der bajuwarische Barde konnte es nicht lassen, das Hohelied der (bei der Eurovision verpönten) Live-Musik zu preisen und sein Credo „Wettbewerbe und Musik passen einfach nicht zusammen“ runterzubeten. Na, dann kann er ja froh sein, dass ihm das alles, einschließlich Malmö, erspart blieb. Und uns auch!


Operation gelungen?

MogelpackungWegen des lautstarken Medienechos der letzten Tage, das mit den Themen Schiebung, Plagiat und Juryverschwörung die gesamte Bandbreite der traditionellen Eurovisionsrezeption abdeckte, hat sich der eurovisionaer mal ein wenig mehr Zeit genommen, seine eurovisionaeren Eindrücke zur deutschen Vorentscheidung 2013 „Unser Song für Malmö“ sacken zu lassen. Aber jetzt soll natürlich auch sein Senf in der krawalligen Debatte nicht fehlen, …

Mit der Verteibung des ehemaligen Heilsbringers Raab hatte es im September letzten Jahres begonnen. Zuallererst wurde das Unser-Star-für-Format, welches ohne die famose Lena Meyer-Landrut wahrscheinlich nie wirklich funktioniert hätte, als überholt betitelt. In der Tat lockte Roman Lob kaum jemanden mehr hinterm Ofen hervor. Nun sollte also alles anders werden; das von vielen als Vorbild gepriesene schwedische Melodifestivalen sollte als Blaupause dienen und der alte (Schlager-)Muff der vorraabschen Jahre auf jeden Fall vermieden werden. Tja, und was ist dabei herausgekommen? Ist das Experiment geglückt?

Wenn die Eurovisionswelt – wie so oft unterstellt – tatsächlich mal so einfach wäre, dass diese Frage klar mit Ja oder Nein zu beantworten wäre! Positiv ist sicherlich, dass es gelang, Künstler wie Blitzkids mvt., LaBrassBanda, Ben Ivory oder gar die Söhne Mannheims zu gewinnen, die (bzw. deren Plattenfirmen) vor Jahren sicherlich noch einen großen Bogen um die Marke ESC gemacht hätten. Noch besser: deren Beiträge hörten sich nicht nach krampfhaft auf Wettbewerb gebürstet an und waren in der Mehrheit einfallsreich und ansprechend umgesetzt. Kurzum: manche hatten verstanden, wie der Wettbewerb tickt, einigen waren sogar mehr ehemalige Teilnehmer als nur Abba geläufig. Eine große Halle wurde gebucht, um die Nervenstärke der Bewerber auf die Probe zu stellen, auch prima! Und mit Anke Engelke als Moderatorin konnte eigentlich gar nichts schief gehen, denn der verzeiht der gemeine Fan selbst die etwas eitle Koketterie mit den eigenen Fremdsprachenkenntnissen ebenso wie den verantwortlichen Redakteuren das Recycling der Düsseldorfer Grafikvorlagen. Als letztlich gar noch diverse regionale Radiosender eingebunden wurden, um dem Ganzen einen Hauch von 12-Punkte-Suspense zu geben, schien alles wie geschmiert zu laufen.

Wie indes bekannt, endete das gut gemeinte Vorhaben dann doch in einer mittelschweren Kakophonie. Die Presse, von geifernden Springerschreiberlingen infiziert, tönt das altvertraute Lied „Grand Prix is eh doof“, der beauftragte Koordinator der ARD stellt fest, dass Plagiatsvorwürfe halt „zur Folklore des ESC“ gehörten. Die einen Fans wittern „Verschwörung!“ und wettern prompt „Schiebung!“, weil der – massiv manipulierte – Bürgerentscheid angeblich keine Berücksichtigung findet. Andere wiederum wollen die Jurys abschaffen, „weil nicht fünf Experten ein ganzes Volk bevormunden dürfen“. Eigentlich alles wie zu finsternsten Siegel-Zeiten, nur mit dem Unterschied, dass heutzutage zusätzlich die Sozialen Medien – und mittlerweile nicht das erste Mal – zum modernen Scherbengericht mutieren, wo der anonymisierte Mob mal eben nach Herzenslust shitstormen darf, was das Zeug hält.

Ist halt dumm gelaufen, dass ausgerechnet das Radiovoting so prominent in die Länge gezogen wurde, wo doch die hippen, jungen Radiosender gar kein Interesse zeigten, das Event entsprechend zu bewerben. Blöd auch, dass Jurys akzeptiert werden, solange sie die böse Ostmafia in die Flucht schlagen und uns armen Würstchen zu guten Platzierungen verhelfen. Und erstaunlich, dass erst jetzt nach hochdekorierten Musikwissenschaftlern gefahndet wird, wenn doch bereits seit Mitte Januar jeder, der zwei halbwegs intakte Ohren hatte, hören konnte, dass sich der spätere Siegertitel sehr offensichtlich erfolgreicher Vorlagen bediente, was ihn jedoch noch nicht automatisch zum Plagiat macht.

Stimmt, die ganze Aufregung gehörte immer schon zur Eurovision wie der Löwensenf zur Bratwurst. Und wenn alles nach Plan läuft, sorgt die Publicity für akzeptable Downloadzahlen und spätestens im Mai für eine halbwegs stattliche Quote. Eigentlich wunderbar, denn mehr können sich die Fans doch gar nicht wünschen!

Schade nur, dass die Eurovision so leider niemals – wie nach dem Euphoria-Erfolg erhofft – in der realen Musikszene ankommen bzw. unter ihrer miefigen Käseglocke hervorkriechen wird. Selbst der Weg vom Grand Prix d’Eurovision zum Song Contest war ein langer, folglich wird das Muster „Brot und Spiele“ – also Hauptsache laut, Toleranz vorheuchelnd, weil ja verschwulisiert und nach Skandal riechend – uns noch lange erhalten bleiben. Und das ist kein nationales Phänomen, wie es beispielsweise der Blick  nach Großbritannien oder Frankreich bestätigt. Kult, den keiner ernst nimmt – ja, gerne! Ein zeitgemässer Eindruck, welcher Musikgeschmack in den jeweiligen Regionen Europas gerade angesagt ist – nein danke! Wäre ja auch noch schöner, denn dann würde man der ganzen lächerlichen Chose ja eine kulturelle Bedeutung zugestehen.

Einer Vorentscheidung das Etikett „modern“ zu geben, ist daher wohl der einzige Schwindel, den es zu kritisieren gäbe. Aus der Traum, denn es ist nun einmal lediglich „the same Procedure as every Year!“

Foto: Joachim S. Müller

Schade…

GERNun haben die sich im Netz tummelnden Cascada-Nervensägen doch Recht behalten! Geiz is geil! Billig will ich! Da ist „Glorious“ nur die logische Folge und wir bekommen endlich, was wir verdienen. Schade eigentlich, aber so läuft nun mal Demokratie. Die Großraumdisco-Diva Natalie Horler hat das Ding abgespult und das Televoting für sich entschieden (wohingegen die Bajuwaren sich zumindest beim Email-Aliasing als medienkompetenter erwiesen) und somit sollte die Qualifikation für Malmö ausreichend legitimiert sein. Selbst die am Tag danach viel gescholtene Jury hat da nichts mehr ausrichten können, denn auch sie setzte den Euphoria-Klon noch auf Rang drei. Die könnten wir höchstens verklagen, weil sie unsere geliebte Betty Dittrich komplett ignorierte (ja, ja, Herr Bendzko….deutsche Texte…LOL), dafür aber immerhin den Blitzkids zu… sagen wir mal, 15 Sekunden Fame verhalf. Oder sollte das „Experten-Kollektiv“ lediglich das nervtötende Gebläse verhindern?

Den bislang – wie wir Fans gerne sagen – schwachen Jahrgang hat Deutschland damit leider nicht gerettet, tragischerweise trotz guter Alternativen, die uns in Malmö mehr als gut zu Gesicht gestanden hätten. Folgerichtig wird das platte Remake des Vorjahres selbst hierzulande absehbar wenig Euphorie hervorrufen, so dass uns dann letztendlich im Mai ein respektabler neunter Platz als Erfolg verkauft werden wird. Wäre auch zu schön gewesen, schon wieder oben mitspielen zu dürfen! Seien wir also wahre eurovisionaere und freuen wir uns – mit allem uns zur Verfügung stehenden verzweifelten Mut – auf Ungarn, Mazedonien und Bulgarien!

Interpret Radio Jury Televoting Gesamt
Cascada 10 08 12 30
LaBrassBanda 12 01 10 23
Söhne Mannheims 07 05 05 17
Saint Lu 00 10 06 16
Nica & Joe 04 04 08 16
Blitzkids mvt. 01 12 02 15
Ben Ivory 06 07 00 13
Betty Dittrich 08 00 04 12
Finn Martin 03 06 03 12
Die Priester & Mojca Erdmann 02 00 07 09
Mobilée 05 03 00 08
Mia Diekow 00 02 01 03
Grafik: eurovisionaer


Und das Telefon sagt Duuuuuuuuuuuu

Einen kleinen Vorgeschmack, auf das, was uns in Malmö blüht, werden wir morgen Abend bei der deutschen Vorentscheidung erleben. Mit Beginn der heute stattfindenden ersten Probendurchläufe wurde nämlich auch die – angeblich ausgeloste – Reihenfolge der Auftritte veröffentlicht. Ist es da purer Zufall, dass die Künstler mit der größten Fanbase auch die höchste Startnummer haben?

  • 01. Die Priester ft. Mojca Erdmann
  • 02. Finn Martin
  • 03. Mobilée
  • 04. Blitzkids mvt.
  • 05. Betty Dittrich
  • 06. Ben Ivory
  • 07. Saint Lu
  • 08. LaBrassBanda
  • 09. Nica & Joe
  • 10. Mia Diekow
  • 11. Söhne Mannheims
  • 12. Cascada

Naja, uns eurovisionaere – ähem Schlagerboys – beeindruckt das wenig, denn wir wissen ja eh, wen wir anrufen …


Hör wieder Radio

Radio flickr fod tzellosAb morgen, 07. Februar 2013, können Hörerinnen und Hörer diverser „junger Wellen“ mitbestimmen, wer für Deutschland zum ESC fahren soll. Eine Woche lang stehen die – den Eurovisionsnerds längst bekannten – zwölf Acts, die für den deutschen Vorentscheid „Unser Song für Malmö“ nominiert sind, auf den Homepages der Radiosender zur Auswahl.

Das Votum der Radiohörer, das ein Drittel des Gesamt-Ergebnisses ausmacht, soll von den Moderatoren der Hörfunksender innerhalb der Fernsehsendung, die am 14.02.2013 ab 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt wird, übermittelt werden. Ein weiteres Drittel der Entscheidung ergibt das sogenannte Televoting per Telefon und SMS, wohingegen die verbleibenden 33,3 % der Stimmen während der Show von der Jury, bestehend aus Tim Bendzko, Roman Lob, Anna Loos, Mary Roos und Peter Urban, verteilt werden.

Foto: Flickr / Fod Tzellos

Cold as Ice

…und noch ein Posting für heute: Nach „Lalala“ der ganz und gar nicht witzige, dafür aber sehr ästhetische und eindringliche Clip von Herrn Elfenbein!


Guck bloß nich im Keller nach…

betty dittrichleer
So! Egal, wie die gepimpte deutsche Vorauswahl 2013 in zwei Wochen auch für Miss Dittrich ausgeht… Mittlerweile hat sie ihrem Beitrag für Hannover ein gar ebenso wunderbares Video hinterhergeschickt, das selbst bei internationalen eurovisionaeren für Begeisterung sorgt. Anders als die in diversen Internetforen penetrant werbende heimische Cascada-Fraktion scheinen unsere europäischen Nachbarn also sehr gut zu verstehen, dass die Betty das ganze Ding nicht gar so ernst nimmt. Prima, es gibt doch noch Menschen mit Humor!

Foto: eurovision.de

Wer macht das Rennen in Hannover?

USFM GER 2013leer
Da fliegt dir glatt das Blech weg – LaBrassBanda

„Wir ziehn uns aus und spieln mit unsren Sachen….“ Nach diesem legendären Motto, ähem … mit dem Song „Nackert“ wollen LaBrassBanda Europa so richtig einen blasen. Vom preußischen Mainstream bislang relativ unbeachtet, sind die Bajuwaren dahoam eine feste Größe und begeistern mit treibender Blechmusik, die erst bei Live-Konzerten so richtig an Fahrt aufnimmt. Ist es nun Jazz, Funk, Ska oder eben Blosmusi? Egal, der Rhythmus stimmt, selbst wenn den Text außerhalb Bayerns kaum jemand versteht. Tja, und dann noch diese eurovisionäre Reminiszenz der stets barfuß auftretenden Bläsercombo an Sandy Shaw!

Was also nur im ersten Moment scheinbar gar nicht zusammenpasst – Lederhosen und Eurovision – könnte am 14. Mai das immer noch existierende Deutschlandbild aufs Wunderbarste karikieren. Und das ganz ohne Sauerkraut. Dass wir da nicht schon früher drauf gekommen sind!

Himmel Herrgott Sakra! – Die Priester

Oh Gottogottogott! Im Namen des Herrn wollen drei wahrhaftige Gottesmänner, die seit 2011 sogenannte christliche Popmusik veröffentlichen, den Sündenpfuhl Eurovision unterwandern und alle homosexuellen Seelen auf den rechten Weg bringen zuerst in Hannover und dann den Kreuzzug nach Malmö antreten. Gemeinsam mit Mojca Erdmann, einer – schätzungsweise jungfräulichen – Opernsängerin aus Hamburg, stimmen die wohl doch nicht so zölibatären Priester den jahrhundertealten Mariengesang „Ave Maris Stella“ an. Oder halt eine davon inspirierte Neukomposition, denn so ganz passt das ja nicht zum EBU-Regularium „Veröffentlichungstermin nach dem 01.09.2012“. Und über Kutte und Kruzifix ist spätestens seit der Heilsarmee-Causa auch noch nicht das letzte Worte gesprochen. Nach den russischen Großmüttern nun also der nächste Teil der eurovisionären Freakshow? Bitte, lasst diesen Kelch an uns vorüber ziehen…

Findet Schlager toll – Betty Dittrich

Ganz in der eurovisionären Tradition von Siw Malmkvist, Gitte oder Wencke Myhre will Betty Dittrich nach Malmö reisen. Von wo sie genau genommen schon herkommt, denn ihr Geburtsort liegt in der Nähe des diesjährigen Austragungsortes. Doch was auf den ersten Blick wie ein müder Werbegag der Plattenfirma erscheint, ist überhaupt nicht so weit hergeholt: Bereits in den 60er Jahren hat sich Deutschland häufig skandinavischer Sangeskunst bedient und das gar nicht mal erfolglos!

Mit „Lalala“ zitiert das mittlerweile in Berlin lebende Hippiegirlie einen Eurovisionssiegertitel aus längst vergangenen Tagen und spielt gekonnt mit allen gängigen Schlagerklischees. Textbeispiel gefällig? „…Franz er war, ein Junge mit langem Haar, genauso wie Ringo Starr, doch wo ist er hin…“. Das ist eine Verbeugung vor dem guten alten Schlager, wie sie unverkrampfter, aber auch respektvoller kaum sein kann. Außerdem hat uns Selbstironie auf internationaler Bühne noch nie geschadet und daher könnte sich das so anachronistisch daherkommende Fräulein Dittrich zu einem ganz großen Geheimtipp nicht nur bei der Vorentscheidung in Hannover mausern. Wun-der-bar!

German Betroffenheit – Söhne Mannheims

Ohne ihren Guru Xavier Naidoo und von 14 auf sechs Bandmitglieder eingedampft stellen sich die Söhne Mannheims der innerdeutschen Konkurrenz. „Endlich!“ sagen die einen, die seit Jahren nach den großen nationalen Namen beim Songfestival rufen. Der eurovisionaer fragt sich eher „…muss das sein?“ Pseudosozialkritik und religiöse Botschaften sind bei der Eurovision nicht wirklich gut aufgehoben, sofern sie denn überhaupt verstanden werden. Und ob sich Deutschland auf europäischer Ebene unbedingt als das gute Gewissen aufspielen sollte, sei nun auch dahingestellt…

Schätzungsweise deshalb verpacken die Söhne das Ganze mit einem englischen Label „One Love“ und durchsetzen den Song mit ihren hinlänglich bekannten missionarischen Floskeln auf deutsch. Das Ergebnis hört sich unendlich gequält an, allerdings ist zu befürchten, dass der hohe Bekanntheitsgrad der Band vom eigentlichen Produkt, dem Lied, ablenken wird. Schade, denn was in unseren Landen – warum auch immer – funktioniert, kann auf internationaler Bühne ganz gewaltig in die Hose gehen.

Wau und tschau Nicole! – Blitzkids Mvt.

Der Vorentscheidungsbeitrag „Heart on the Line“ von Blitzkids mvt. ist einfach nur großartig! Damit können wir getrost die letzten Reste des von Lena Meyer-Landrut eventuell nicht ganz ausgeräumten Nicole-Traumas endgültig auf den Mond schießen und mit stolzer Brust nach Malmö reisen. Zum Teufel mit dem Mello! Käme doch nur die Hälfte der übrigen Beiträge für Hannover 2013 ähnlich vielversprechend und unabgestanden um die Ecke, dann stünden wir mit einem zeitgemässen, deutschen Eesti Laul den Balten in nichts mehr nach.

Ob jedoch Blitzkids mvt. die deutsche Antwort auf Lady Gaga sind, wie so manche PR-Texte behaupten, sei wohl doch dahingestellt. Immerhin entstammt der Name des Künstlerkollektivs der Anfang der 80er-Jahre in Großbritannien sehr populären New-Romantic-Bewegung und deren Vorliebe für einen Club called „Blitz“. Na, das sind zumindest mal ganz neue Vokabeln für eine Eurovisionsbiografie!

Gute Kontakte – Finn Martin

Nun ja, einen Kommunikationsanbieter als Sponsor zu haben, der den potentiellen Eurovisionsbeitrag gleich mal in der firmeneigenen Media-Kampagne platziert, kann sicher nicht schaden. Mit der entsprechenden Dauerberieselung werden dann am  14. Februar alle werberelevanten Zielgruppen Finn Martins Song nach den ersten zwei Takten mitsummen können und – so ist ja wohl das Kalkül – gleich zum Handy greifen und für SMS-Umsätze sorgen. Win-Win nennt man das halt, wenn sich alle die Hände reiben.

Ähnlich gut berechnet ist der Wettbewerbsbeitrag „Change“ an sich, der sehr gefällig daherkommt und auch nicht vor einem Mädchenchor gegen Ende der 3-Minutenfrist zurückschreckt. Das ist dem Hausblogger zu dicke, wird aber in Hannover sicherlich fett abräumen. Nur das Image des verträumten Weltbummlers – Zitat PR-Bio: „Finn atmet voller Neugier die kleinen und großen Wunder des Lebens ein und findet so ganz nebenbei die Inspiration für seine Musik“ – nimmt ihm bei so viel Geschäftstüchtigkeit dann wohl keiner mehr ab…

Lockerleicht – Mobilée

Eine Prise Folk, etwas von dem Meyer-Landrut-Gewürz, eine ordentliche Portion Radiopop, alles mit guter Laune vermengt – fertig ist der Beitrag der Duisburger Band Mobilée. Und da viele Köche Produzenten erfahrungsgemäß den Brei verderben, kümmert sich einzig Olaf Opal, der uns bereits Gruppen wie Juli und die Sportfreunde Stiller schmackhaft machte, um die fröhlichen Ruhries. Und für deren karrierefördernde politische Korrektheit sorgen lustige Pussy-Riot-Strumpfmasken wie zum Beispiel beim Fernsehgarten-Auftritt im letzten Sommer!

Entsprechend unaufgeregt und musikalischen Konventionen angepasst ist der Song „Little Sister“, der in Malmö nicht weiter auffallen, aber auch niemandem wehtun dürfte. Und mit dieser Strategie haben wir uns ja schon letztes Jahr in Baku durchgemogelt einen ordentlichen Mittelfeldplatz ersungen. Gewinnen wäre eh zu teuer…

Sing mit mir ein kleines Lied – Mia Diekow

Die richtige Mia wäre dem eurovisionaer lieber gewesen, aber die wollte wohl nicht (mehr)….. Statt dessen kriegen wir nun Mia Diekow, die vom NDR Mitte Dezember als letzte Teilnehmerin der Finalrunde bekannt gegeben wurde, was vermuten lässt, dass sie die Notlösung für einen abgesprungenen größeren Namen war…

Nun gut – dafür kann sie nix und als eine der wenigen versucht sie den Sprung ins eurovisionäre Becken immerhin in ihrer Muttersprache. Sie teilt mit uns ihr „Lieblingslied“, das zwar einen ganz spannenden Rhythmus, allerdings keine rechte Hook hat. Und hätten wir nicht bereits Lena Meyer-Landrut lieben gelernt, dann hätte Mia D. vielleicht eine Chance gehabt, aber so entlockt sie uns leider nicht mehr als ein NETT… (und daran ändern auch die putzigen Bastelanleitungen auf ihrer Homepage rein gar nichts!)

Oooch nee – Nica & Joe

Unsägliches Operngeknödel und dazu ein celinesques Gezwitscher – das waren Nica und Joe bei X-Factor 2011 und das sind sie auch heute noch. Fans nennen das Genre Popera, jedoch macht dieser zweideutige Name das Ganze auch nicht besser.

Nun wollen sie mit jener fatalen Kombination also auch noch zur Eurovision. Allerdings, auf internationaler Ebene ist ein gewisses Pavarotti-Feeling noch nie besonders gut angekommen. „Elevated“ ist gepflegte Langeweile und könnte im Grunde genommen auch der Siegelschen Flopschmiede entstammen. Unter den bisherig bekannten, in der Summe weitaus mehr als durchschnittlichen Vorentscheidungsbeiträgen für Hannover ist der Song allenfalls mittelmäßig. Bleibt zu hoffen, dass die beiden am 14. Februar lediglich den Priester- und Söhnen-Fans Stimmen abluchsen werden.

Mehr als gerecht – Ben Ivory

Schade, fast könnte mensch meinen, der eurovisionäre Jahrgang 2013 verkomme aus deutscher Sicht zu einer Zeitreise in die Achtziger… Neben den Blitzkids ist auch Ben Ivory’s „The righteous Ones“ mit synthielastigen Klängen am Start. Für die heimischen Vorentscheidungsohren handelt es sich dabei wohl kaum um ernsthaftes Siegermaterial, aber nach den Raab- und Siegeljahren ist es definitiv eine musikalische Wohltat. Ivory, der übrigens von der Financial Times Deutschland zum “Best Music Fashion Act“ gekürt wurde, bringt parallel zum Vorentscheid seine CD „Neon Cathedral“ in die Läden. Fazit: nicht ganz so massenkompatibel wie  „Heart on the Line“, dennoch ein absolut hörenswerter Song für Malmö Hannover!

Made in Austria – Saint Lu

Noch mehr Eighties-Pop wäre wohl zu viel des Guten gewesen!  Zwar lebt auch die Österreicherin Saint Lu – zumindest musikalisch – nicht in der Jetztzeit, verschreibt sich aber eher den Swinging Sixties als den coolen Achtzigern. Wer also Amy liebte, wird die Heilige Lu, die vor kurzum mit Max Mutzke durch die Lande tourte, zumindest mögen. „Craving“ schleicht sich dennoch nicht auf Anhieb in die Gehörgänge. 60 Sekunden braucht mensch schon, bis er sich an die einzigartige Stimme der Luise Gruber gewöhnt hat. Doch dann zündet der Song ganz gewaltig. Ob er jedoch auf der – dieses Jahr nicht sooo großen – Eurovisionsbühne richtig aufgehoben ist? Egal, Futter für die dieses Jahr ebenfalls beteiligten „jungen“ Radiowellen ist er allemal!

Euphorisch wie Titan – Cascada

Ja ja, endlich ein international erfolgreicher Act…. Während die eurovisionären Fanboys in Verzückung geraten und das Netz mit schlecht gemachten Cascada-YOUTUBE-Clips überschwemmen, will nun auch der eurovisionaer keinen Bogen mehr um einen der Favoriten des diesjährigen Vorentscheids machen: Heute veröffentlichte die Retortentruppe Cascada den Beitrag „Glorious“. Reimt sich zwar nicht auf „Euphoria“, ansonsten aber haben die Macher bei der göttlichen Loreen sehr genau hingehört. Ehrlich gesagt, hätte es schlimmer kommen können, aber originell ist das nicht und muss daher nach Gusto des Oberlehrers Hausbloggers nicht nach Schweden geschickt werden.

Foto: NDR

Hm…

Auch wenn uns der NDR-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber den deutschen Vorentscheid am 14.02.2013 als ganz großen Wurf verkaufen will… Skepsis ist angesagt, wenn man sich die heute veröffentlichte Starterliste so anschaut:

  • Ben Ivory – The righteous ones
  • Betty Dittrich – Lalala
  • Blitzkids MVT –  Heart on the line
  • Cascada – Glorious
  • Finn Martin – Change
  • LaBrassBanda – Nackert
  • Mobilée – Little sister
  • Nica & Joe – Elevated
  • Die Priester feat. Mojca Erdmann – Ave Maris Stella
  • Saint Lu – Craving
  • Söhne Mannheims – One love
  • Mia Diekow – Lieblingslied

Einige Namen wie Blitzkids MVT, Saint Lu oder Ben Ivory hören sich zwar ganz vielversprechend an, aber es steht zu befürchten, dass deren eurovisionäre Innovationsfreude vom TV-Zuschauer wie auch der Jury zugunsten renommierterer Acts wie der Dorfdiscotruppe Cascada oder den Heulsusen Söhne Mannheims mal wieder übersehen wird. Zu viele unsägliche donnerstägliche Vorentscheidungsabende in der Vergangenheit, zu viel Radio-, aber nicht ESC-taugliches Songmaterial der Plattenfirmen sowie die Tendenz der Televoter zum bereits Bekannten lassen uns nichts Gutes ahnen.

Aber vielleicht ist diese Skepsis auch nur Ausdruck von typisch deutschem Pessimisus. Immerhin heißt die Chose „Unser Song für Malmö“, also wollen wir hoffen, dass die Musik im Mittelpunkt stehen und uns positiv überraschen wird. Mehr dazu also, wenn – wie angekündigt – die Lieder unsere Radiostationen rauf und runter laufen…