Revolution in Eurovisionia

Revolution in Eurovisionia

Alles neu macht der Mai – zumindest, wenn das schwedische Fernsehen verantwortlich ist. Wie die EBU heute voller Stolz verkündet, steht uns die gewaltigste Neuerung der ESC-Geschichte bevor. Das Voting, der wahre Kult des traditionsreichen Festivals, wie Peter Urban nicht müde wird zu erklären, soll nach vierjähriger interner Diskussion komplett umgekrempelt werden.

Wie immer, wenn hinter verschlossenen Türen bis aufs Blut verhandelt wird, entsteht dabei ein Regelungetüm, dessen tatsächliche Folgen nicht so einfach zu erklären sind. Die EBU hat daher sogleich eine filmische Gebrauchsanweisung produziert, die sich fortan bitte jeder ESC-Fan mindestens einmal täglich zu Gemüte führen sollte:

Was der eurovisionaer von der nahezu perfekten Metamorphose vom Eurovision Song Contest zum Euro-Mello hält… dazu demnächst an dieser Stelle mehr.

Grafik: EBU

So wird in Wien gestartet

Das wird zumindest für den eurovisionaer am Samstag wohl weniger spannend: Nach ca. 30 Minuten sind alle seine Lieblinge durch, denn Slowenien, Estland und Norwegen singen bereits im ersten Drittel des unüberschaubar großen  Wiener Teilnehmerfeldes von 27 Nationen.

Doch mehr dazu nächste Woche, wenn die langen Wiener Nächte im Rahmen des sehr kurzweiligen Betriebsausflugs erst einmal verdaut sind. Der treuen Leserschaft einen freudvollen Gruß aus der österreichischen Hauptstadt und einen schönen Song Contest 2015 – wo auch immer Ihr ihn schaut! Bye, Bye, 3 Minutes – I gotta go.

TN Finale 2015

Grafik: eurovisionaer

Ene mene muh – wie wertet eine ESC-Jury?

votingliste azbleer
Kaum hat Deutschland Conchita Wurst in sein großes Herz geschlossen, schwappt auch schon Empörung durchs Volk und die heimischen Medien mischen munter mit. Quell des Genörgels: die deutsche Jury bestehend aus Sido, Madeline Juno, Andreas Bourani, Konrad Sommermeyer und Jennifer Weist. Sie hätte im Ernstfall – wenn’s nur nach ihr gegangen wäre – der Alpendiva vergangenen Samstag keine Punkte zuteil werden lassen! Skandalös? Okay, offensichtlich verfügte die Kommission über einen anderen Geschmack als die Zuschauer, kann ja mal passieren und sollte respektiert werden. Schließlich ist es Sinn und Zweck eines solchen Gremiums, eine auf Fachkompetenz basierende Beurteilung quasi als Komplementär dem Willen der Allgemeinheit entgegenzusetzen. Seitdem die EBU jedoch in diesem Jahr erstmals alle detaillierten Bewertungen veröffentlicht hat, sind Nachfragen nicht nur gegenüber dem NDR-Ausschuss angebracht.

Wie setzt sich überhaupt eine solche Jury zusammen? Laut EBU sollen es Musikschaffende sein, also sind Sänger, Komponisten, Texter oder gar DJs erwünscht, nicht aber Journalisten oder Wissenschaftler. Die Jurymitglieder bewerten folglich ihre eigene Zunft. Dennoch, der NDR hat regelkonform besetzt, lediglich über eine fehlende Stilrichtungsbandbreite innerhalb der fünfköpfigen Gruppe mag man streiten.

Nach welchen Kriterien wird gewertet? Das weiß außerhalb der EBU niemand. In ihren Regularien bezieht sie sich auf ein so genanntes „Green Document“, das sich die Juroren zu Gemüte führen müssen, dessen Inhalt der interessierten Allgemeinheit jedoch verwehrt bleibt. Vermutlich aber gibt es dort klare Anweisungen, zum Beispiel Diaspora-Votingerfolge zu verhindern. Beleg hierfür: das belgische Voting für Armenien. Im Juryranking auf Rang 25, bei den Anrufern auf Platz 1; das ergibt in der Summe Null Punkte für den Kaukasusstaat. Ähnlich werden die Griechen und Russen – nicht erst seit diesem Jahr – herunter gewertet, insbesondere seitdem die Jurys ein komplettes Ranking von Platz 1 bis 26 erstellen, der Televoter aber natürlich nicht. Machen sich die Juroren damit nicht zum Instrument einer hinter verschlossenen Türen ausgeklügelten Wahlfälscherei?

Werden überhaupt konkret musikalische Kriterien als Bezugsrahmen benannt, nach dem bewertet werden soll? Nein, es geht nicht um besonders pfiffige Texte oder ausgeklügelte Kompositionen, andernfalls hätte die deutsche Jury wohl kaum das relativ nichtssagende Liedchen „Cliché Love Song“ aus Dänemark kollektiv (!) auf Platz eins gesetzt. Oder gar Ralph Siegels Möchtegern-Opus „Maybe“ nahezu einstimmig auf den letzten Platz verbannt, was belegt, dass hier persönliche Vorlieben wohl eher den Ausschlag geben. In der Konsequenz zählt also der Geschmack von fünf Szeneyoungstern ebenso viel wie der von Millionen von Televotern.

Dürfen sich die Preisrichter untereinander abstimmen? Vergleicht man die Wertungen aller Nationen, fällt häufig (nicht nur bei der deutschen Vorliebe für dänischen Schlager) eine seltsame Einstimmigkeit im Ergebnis auf. Nichts mit kontroversen Diskussionen der Experten, das Votingsheet dabei lautstark argumentierend in die Luft fuchtelnd. Geheim sind die Entscheidungen daher offensichtlich nicht, wenngleich die EBU Unabhängigkeit einfordert – was auch immer das in dem Kontext bedeutet. Aber Achtung! Man darf das System der Schieberei nicht überreizen, siehe Georgien, wo das Gremium ein identisches Ranking für Platz eins bis acht auf den Tisch legte. Ein Ergebnis, das von dem EBU-Schiedsrichter Ola Sand umgehend annulliert wurde, was wiederum für Aufsehen sorgte. Etwas cleverer war dagegen der Jurytrupp aus Aserbaidschan, der lediglich seine Abneigung gegen armenischen Dubstep und sein Faible für russische Popschlager kund tat – einhellig! Ähnliche Beispiele finden sich auch in den Entscheidungen aus Armenien, Belarus oder Moldau und und und, die die Idee eines fairen Wettbewerbs ad absurdum führen.

Und zu welchem Zeitpunkt werten eigentlich die Jurys? Am Freitagabend. Für sie wurde die Generalprobe in Jury Finale umbenannt. Allerdings wird diese nicht im Fernsehen übertragen. Der gemeine Televoter darf bekanntermaßen erst am Samstag ran. Also ist das ESC-Herzstück, das kultige Voting, ein von der EBU raffiniert gemixter Obstsalat, für dessen Rezept 50% Äpfel und 50% Birnen benötigt werden. Denn, hat beispielsweise die osteuropäische Diva mal einen schlechten Probenabend, reiben sich einen Tag später die Televoter verwundert die Augen, wenn sie erfahren, dass die Jury ihren Liebling gnadenlos abgestraft hat.

Es war also so einiges faul letzten Samstag im Staate Dänemark, auch wenn die EBU nach den jüngsten Televotingmanipulationsvorwürfen stolz ihre neue Transparenz propagiert. Interessant auch, dass der ganze Juryaufwand eigentlich gar nicht nötig wäre, denn die kaiserliche Wurst hätte selbst im reinen Televoting gewonnen, sogar weitaus überlegener. Also, liebe EBU, erspare uns und unseren C-Promis den Ärger um skandalöse Expertenentscheidungen und fahre eine ganz einfache Schiene: maximal drei Zuschauerstimmen je Telefonanschluss und der böse Diaspora-Ostblock-Spuk hat ein Ende.


Eurovisionäre Nachhilfe: 30. April 1988

1988Dem Alter, harmonische Fernsehabende unbedingt auf der elterlichen Couch verbringen zu müssen, lange entwachsen, deutete sich 1988 so etwas wie ein Paradigmenwechsel an, hätte mal ein Wissenschaftler meine eurovisionären Gewohnheiten untersucht. In jenem Jahr wurde die ESC-Party geboren! Nun gut, noch in einem sehr kleinen, überschaubaren studentischen Kreis, jedoch mit ersten Ingredienzien wie z.B. der wandernden Kommentarliste, viel Alkohol und einer Aftershowparty, die bis in die frühen Morgenstunden reichen sollte. Sie alle wurden im Laufe der folgenden Jahre zu elementaren Bestandteilen dieser rituellen Zusammenkünfte, wenngleich die 89-er Ausgabe wegen Liebesschmerz anhaltendem Hangover schon wieder ausfiel und in den Geschichtsbüchern der Nichtigkeiten erst 1990 als das offizielle Geburtsjahr dieser hedonistischen Tradition gelistet wird.

d88Aber bleiben wir beim 30. April 1988. Deutschland hatte sich wenige Wochen zuvor für ein hochnotpeinliches Mutter-Tochter-Gespann entschieden, das unbegreiflicherweise am Finaltag von den schmerzfreien britischen Buchmachern gar auf Rang drei gewettet wurde. „Lied für einen Freund“ war in sträflicher Manier das genaue Gegenteil von einem aktuellen Popsong (die Pet Shop Boys führten gerade mit „Heart“ die BBC-Charts an), schmalzig und schräg mit unerträglichem Hundeblick vorgetragen. Mehrheitlich interessierte das in Europa – aber selbst im eigenen Land – niemanden, also galt es, eigene Favoriten auszumachen. Dem Himmel sei Dank hatten wir ganz weitsichtig auf den Original-Fernsehton, über den die leibhaftige Nicole einen nöligen Kommentar absonderte, verzichtet und das TV-Bild mit der hippen BFBS-Live-Radioübertragung verkoppelt. Das garantierte zwar unter technischen Aspekten betrachtet ein optimales Stereoerlebnis, musikalisch rangierte jedoch vieles, was Europa uns da vorsetzte, auf einem ähnlich unterirdischen Level wie der bereits erwähnte deutsche Beitrag. Natürlich gab es Ausnahmen, immer dann, wenn ausgelutschte Eurovisionssongmuster gebrochen wurden: Irland, das als Vorjahressieger ja nicht mehr gewinnen musste, stellte mit „Take him home“ ein Ballade epischen Ausmaßes vor; Norwegens „For vår jord“ war ähnlich stimmungsvoll, ohne abgestanden sülzig zu wirken.

uk88Damals schwappte übrigens populärkulturell so etwas wie eine erste Ethnowelle durch die Republik. Meine liebe Freundin Fräulein T., die gerade aus für mich unerfindlichen Gründen einen studienfachübergreifenden Kurs „Türkisch am Krankenbett“ besucht hatte, favorisierte daher den Beitrag „Sufi“ aus Ankara, der aus heutiger Sicht allerdings noch Lichtjahre von der Qualität begeisternder landestypischer Popfolklore entfernt war. Traditionalisten erfreute das israelische „Ben Adam“, das jedoch ebenfalls an ein stimmungsvolles „Hallelujah“ nicht heranreichte. Richtig in Wallung geriet die Feierrunde aber eigentlich nur bei der britischen Einsendung „Go“. Meine liebe angelsächsische Brieffreundin Miss H., ebenso eurovisionsaffin wie ich, hatte mir die Single wenige Wochen zuvor auf dem Postweg zukommen lassen, seitdem lief sie im heimischen Apartment in „heavy rotation“. Im Grunde war „Go“ der absolut krasse Gegenentwurf zu meinem sonstigen Musikgeschmack, griff aber – nicht allein des Alkohols wegen – offensichtlich eine Stimmung auf, die an jenem Abend im April kollektiv angenommen wurde. So hatten mein bester Freund Herr B. und ich uns trotz der frühen Startnummer von Scott Fitzgerald bereits eingesungen und grölten, kurz nachdem Ronnie Hazlehurst den Taktstock geschwungen hatte, laut und textsicher mit. Der Sieger war gefunden!

ch88Leider nur fast. Beim abschließenden Voting lag plötzlich eine Kanadierin aus der Schweiz vorne, die uns zuvor nur aufgrund ihrer schrecklichen Minipli / Nase / Körperhaltung aufgefallen war. Als sie sang, wurde nämlich die BFBS-Übertragung unterbrochen, da eindringlich nach einem Sergeant Smith oder so ähnlich gefahndet wurde. Bis heute ist nicht aufgeklärt, was der Kerl eigentlich angestellt hatte, aber dem britischen Soldatenfunk war die Meldung anno dazumal nahezu drei Minuten Sendezeit wert. Von „Ne partez pas sans moi“ hatten wir also so gut wie nichts gehört und wunderten uns, dass ausgerechnet diese schäbige Frau unserem Scott gefährlich werden sollte. Und wenn die Wertung Kult ist, wie Peter Urban heutzutage nicht müde wird zu sagen, dann gilt das sicherlich für das 88-er Voting. In der letzten Punktevergabe erhielt die nordamerikanische Schweizerin schlappe sechs „Votes“, womit sie nur einen Punkt vor dem United Kingdom lag. Das is geritzt, der Scott räumt jetzt die famosen „douze Points“ ab, dachten wir – und er wohl auch. Doch Pustekuchen! Die einzig noch wertenden Jugoslawen machten damals schon auf Diva und ließen „Go“ komplett leer ausgehen. Schockschwerenot – darauf nahmen wir allesamt einen großen Schluck, lauschten dem nochmals vorgetragenen Siegertitel der erst Ewigkeiten später weltbekannten Eidgenossin mit Migrationshintergrund und schmissen schnell den Schallplattenspieler an, um todtraurig und zum Leidwesen der Nachbarn für den Rest der Nacht „Go before you break my heart once more“ zu schmettern. Ja, wir waren ein musikalisch begnadeter Haufen damals… Coverfotos: Jupiter/PRT/Carrere

scoreboard 1988Foto Scoreboard & Logo: EBU


Der simuliert doch nur…!

Der stets aufs Neue beliebte Scoreboard Simulator von ESC Nation ist seit kurzem als 2014-er Update online! Dort kann der eurovisionäre Anorak nach Herzenslust seine Zeit mit sinnfreien Votingorgien totschlagen. Wer sich dagegen auf der Suche nach seinem diesjährigen Favoriten noch nicht so recht entscheiden kann, dem sei die Sortiersoftware des knuffigen Mister Gerbear wärmstens ans Herz gelegt…
Ach, und wer Geld zu viel hat, der schickt es mir der darf es hier verzocken. Genug Ablenkung bis zum 10. Mai?!


So wird in Deutschland abgestimmt

Dem eurovisionaer war’s zu kompliziert, daher hier ganz dreist übernommen die Erläuterung des NDR zum USFD-Abstimmungsmodus 2014: Jeder der acht Teilnehmer wird am 13. März in der Show „Unser Song für Dänemark“ zunächst einen Song auf der Bühne in der Lanxess Arena in Köln performen. Das Publikum wählt dann vier Acts, die in die zweite Runde kommen. In dieser präsentieren die vier übrig gebliebenen Kandidaten ein zweites Lied und die Zuschauer entscheiden, welchen der acht Songs aus der ersten und zweiten Runde es für ESC-tauglich hält. Im Finale stehen dann die zwei Kandidaten, deren Songs die meisten Stimmen erhalten haben – und noch einmal wird das Publikum zur Jury: Im Stechen entscheidet es endgültig über den Siegertitel. Das Erste und EinsPlus übertragen die Show ab 20.15 Uhr, moderiert wird das Ganze von der fabelhaften Barbara Schöneberger. Und zu Besuch schneien Emmelie de Forest, Adel Tawil und incredibilmente Emma Marrone vorbei.

Interpret Titel 1 Titel 2
GER Das gezeichnete Ich Wenn du da bist Echo
GER Elaiza Is it right? Fight against myself
GER Madeleine Juno Like Lovers do Error
GER MarieMarie Cotton Candy Hurricane Candy Jar
GER Oceana Thank you All Night (snippet)
GER Santiano Fiddler on the Deck Niemals untergehen (snippet)
GER The Baseballs Mo Hotta Mo Betta Goodbye Peggy Sue
GER Unheilig Als wär’s das erste Mal Wir sind alle wie eins

Das letzte Ultimatum

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Klare Worte aus Genf! Die Reference Group der EBU gibt heute bekannt, dass TV-Sender künftig für maximal drei Jahre vom Eurovision Song Contest ausgeschlossen werden können, sollten Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe für deren Heimatland entdeckt werden. Mehr oder weniger direkt verwarnt ist somit Aserbaidschan, dessen Televotingmanipulation in Litauen im letzten Jahr offensichtlich nach längerer Prüfung bewiesen wurde, ohne dass eine direkte Verbindung zur verantwortlichen Fernsehstation ictimai-TV gezogen werden konnte. Fortan muss eine solche „Mittäterschaft“ also nicht mehr zwingend nachgewiesen werden, um Länder zu sanktionieren. Richtig so! Nachdem bereits im vergangenen September schärfere Regeln für die Besetzung der Juries festgezurrt wurden, ist nunmehr ein weiterer Schritt zu mehr Song-Contest-Gerechtigkeit gemacht worden. Und ein Vorgang, der auch dringend notwendig ist, will der Wettbewerb seine Glaubwürdigkeit zumindest in Grundsätzen behalten. Immer neue Berichte um Stimmenkäufe und Juryabsprachen beherrschten die Presseberichterstattung der letzten Jahre, parallel hierzu wurden in verschiedenen Teilnehmerstaaten mehr und mehr Rufe laut, aus dem „Schummel-Grand-Prix“ auszusteigen.

Ob sich die Betroffenen von der „neuen Härte“ der EBU beeindrucken lassen, oder ob sie weiter versuchen werden, mit faulen Tricks das Ergebnis für ihren Beitrag zu beeinflussen, wird sich schon in wenigen Monaten in  Kopenhagen zeigen. Und natürlich ebenso, ob die bislang eher harmoniebedürftige EBU dann auch konsequent ist und Ernst mit dem nun angedrohten Rausschmiss macht!

Grafik: eurovisionaer

Neue Regeln: EBU zieht blank

Rules 2014Es geht also doch! Punkteschiebereien, Abstimmungsabsprachen, Stimmenkauf, schlechte Presse und Fangezeter waren wohl der Grund, dass sich die EBU heute endlich entschloss, das Song-Contest-Regelwerk an einigen Stellen zu überarbeiten. Wie von den Fans schon lange gefordert, soll mehr Transparenz nun plötzlich doch der Schlüssel sein, um Diskussionen über Unregelmäßigkeiten beim Wertungsverfahren ein für alle Mal einzugrenzen. Im Einzelnen handelt es sich jedoch um Änderungen, die hauptsächlich das Juryvoting betreffen:

  • Die Mitglieder der 5-köpfigen nationalen Jurys sollen am 1. Mai 2014 öffentlich benannt werden, zudem müssen die Kommentatoren während der Finalshow die Jurymitglieder namentlich vorstellen. Ebenfalls gilt ab 2014 eine zweijährige Sperre für Juroren – wer also schon einmal 2013 oder 2012 mitgevotet hat, muss nun pausieren (anders als Valentina Monetta).
  • Um die Zusammensetzung der Ergebnisse transparenter zu gestalten, wird im Anschluss an die Show die Wertung eines jeden Jurymitglieds auf eurovision.tv veröffentlicht. Dort werden ebenfalls die sogenannten Splitvotings (reines Jury und reines Televoting) veröffentlicht.
  • Zum guten Schluss soll auf dem bereits genannten offiziellen Onlineportal zusätzlich ein Bereich geschaffen werden, in dem sowohl Jurymitglieder wie auch Zuschauer Wertungsauffälligkeiten melden können.

Die Veröffentlichung aller Ergebnisse ist sicherlich ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ob sich künftig jedoch je Land 5 Musikschaffende finden werden, die ihre Wertung dem Internet-Bashing-Mob zur Verfügung stellen möchten, sei dahingestellt. Mary Roos wird nach den Erfahrungen beim diesjährigen deutschen Vorentscheid wahrscheinlich dankend ablehnen. Und der Televotingstimmenkauf ist über diese Regeländerungen weiterhin möglich. Immerhin versprach Ola Sand, Supervisor des ESC, dass noch einige Ergebnisse des Jahrgangs 2013 untersucht werden und die EBU im Falle des Betrugs die Betreffenden achtkantig vor die Tür setzen reagieren werde.

Grafik: EBU

Äpfel und Birnen

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Bereits vor einigen Tagen hat die EBU – wohl auch, um den Dampf aus der von vielen Ländern monierten Punktevergabe zu nehmen – stolz die gesplitteten Ergebnisse des 2013-er Contest veröffentlicht. Erstaunlich, denn so schnell war man in der Genfer Zentrale noch nie! Fans des Wettbewerbs lieben Statistiken und versuchen seit der Wiedereinführung der Jurys als Korrektiv des angeblichen Diaspora- und Nachbarschaftsvotings im Jahr 2009 aus den jeweils separierten Wertungstabellen abzulesen, welche unterschiedlichen Vorlieben Zuschauer und Juroren an den Tag legen (und welche Konsequenzen das auf das Endergebnis hat).

Doch anders als bisher wurde 2013 erstmals ein Ranking erstellt, das alle 26 Finalbeiträge in eine Reihenfolge setzte, welche wiederum erst später in die allseits bekannte Punkteskala 1-12 umgerechnet wurde. Ob nun ein Jurymitglied allen Ernstes begründen kann, warum er oder sie ein Lied auf Platz 18 statt auf 23 setzte, mag ernsthaft bezweifelt werden. Auch haarsträubende Wertungsabsurditäten wie z.B. in Italien, wo Rumänien im Televoting zwar gewann, im Finale jedoch nur einen Punkt erhielt und dementsprechend offensichtlich von der Jury durchgereicht wurde, nähren den Verdacht, dass das neue System nicht so ausgewogen ist, wie es vorgibt zu sein.

Das nun publizierte Splitvoting bezieht sich daher auch nur auf die Gesamtrankings beider Sparten (Zuschauer und Preisrichter) und gibt folglich so gut wie überhaupt keinen Aufschluss darüber, wie die Nationen im Einzelnen abgeschnitten haben. Die totale Vernebelung der Ergebnisse ist wohl mittlerweile auch Sinn und Zweck jeder neuen EBU-Regel, folglich hätte sie sich die Pseudo-Transparenz mit der Herausgabe dieser Abrechnung ebenso schenken können.

Foto: pixabay

Das war’s

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Bereits am Morgen nach dem großen Finale verabschiedet sich Malmö vom Eurovision Song Contest, indem es eiligst alle WE-ARE-ONE-Flaggen einfährt und stolz per Banner auf das nächste Großereignis der Stadt hinweist. Die Ausstellung „24 Spaces“ für nicht-kommerzielle Kunstaktionen (ist das nicht ein Pleonasmus?) trägt den Untertitel „A Cacophony“.  Treffender als mit dieser Losung hätte das diesjährige europäische Wettsingen kaum ausklingen können…

Lag es daran, dass die Schweden nicht nur vieles anders, sondern auch alles besser machen wollten? Einiges hat funktioniert, wie zum Beispiel die Einbindung der Fans, indem SVT sie auf den aus der Not geborenen Stehplätzen zur lebendigen Kulisse werden ließ, die den wunderbaren Catwalk umrahmte. Und den abzuschreiten offensichtlich jeder Künstler vertraglich verpflichtet wurde… Auch die so genannten Postcards – die Filme, die während des Bühnenumbaus zwischen den Auftritten eingespielt werden – waren eine Wohltat, da sie anders als noch in Baku ganz untouristisch und nichtnationalistisch daher kamen und den Fokus auf die Künstler legten.

Doch sonst? Das pompöse und endlos lange Opening mit dem jeweils von Fahnenträgern angeführten Einmarsch der Nationen zur eigens komponierten feierlichen Hymne? Die Eurovision wird endlich zur Gesangsolympiade! Das aber heizt den stets latent vorhandenen Nationalstolz einiger Länder erst recht an und steht im krassen Gegensatz zum angeblich unpolitischen Selbstverständnis der Veranstaltung. Die Moderatorin? Erstmals seit Jahren war sie wieder alleinig für den gesamten Abend verantwortlich. Schwierig jedoch, wenn man sich dann gerade mit ihr als Gastgeberin nicht so richtig anfreunden kann. Die Bühne? Unspektakulär reiht sie sich in die der Vorjahre ein. Ob nun 2013 Projektoren statt LEDs eingesetzt werden, erschließt sich dem unbedarften Zuschauer nicht wirklich. Die Beiträge? Nun gut, dafür können die Schweden bis auf eine Ausnahme nichts. Die Pausenacts? Viel zu viele. Darunter eine selbstverliebte 50er-Jahre Revue der Gastgeber, mit der Resteuropa wohl wenig anfangen konnte, und eine für alle Nicht-Anglomaniacs häufig unkomische Pseudo-EBU-Botschafterin. Und letztlich ein chaotisches Voting, dem wohl nicht nur die oft zitierte finnische Hausfrau nicht immer folgen konnte.

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Schade. Eigentlich mag ich den Song Contest sehr. Und gerade von den eurovisionsverrückten Schweden hatte ich – sagen wir mal – mehr Impulse erwartet. Doch anders als beim geerdeten Rudelgucken in der Malmöer Innenstadt macht das Zuschauen am Fernseher keinen rechten Spaß mehr. Seelenlos ist vielleicht die passendste Beschreibung der 2013-er Ausgabe. Mehr oder weniger routiniert haben die Skandinavier ihre Hausaufgabe heruntergespult und verschämt am nächsten Tag weggeräumt.

Die in diesem Jahr erstmals angewendete selbstgebastelte Startreihenfolge, die 2009 geschehene Wiedereinführung und der seitdem alljährlich wachsende Einfluß der Jurys sowie die immer mehr dem gleichen Muster folgenden Musikbeiträge sind nur einige Beispiele für ein stetig geglättetes und kommerzialisiertes Format, bei dem Marktanteile und Profit, weniger jedoch Experimentierfreude und (skurrile) Eigenart im Vordergrund stehen. Insofern haben die EBU und Schweden als Gastgeber alles richtig gemacht. Und ich träume weiter.

Fotos: eurovisionaer