Toute chose en son temps

Toute chose en son temps

Nach einer anfänglichen Phase der Sprachlosigkeit fällt es mir nun nicht schwer, den vorherigen Artikel in seiner vorerst nur angedeuteten Grauenhaftigkeit noch zu überbieten. Bereits vor einigen Wochen wurde bekannt, dass die penetrant prahlende Lys Assia das Line-Up der schweizerischen Vorentscheidung 2012 durch eine Gesangsdarbietung aufwerten wolle. Klar, dass sie für dieses frevlerische Ziel einzig Ralph Siegel anheuern konnte, der sich in einem ersten Interview gewohnt bescheiden gibt:

„Meine Musikerfreunde sind begeistert über unseren Coup. Ganz Europa ist wild auf Lys Assia. Das Lied sollte eine Art ‹My Way› werden. Ich hoffe, das ist mir gelungen.» Lys Assia ganz gerührt: «Ich habe nie damit gerechnet, noch einmal so etwas erleben zu dürfen.»

lys Assia Wikimedia clausuleOffensichtlich reichte es ihr nicht mehr, alljährlich die Eurovisionsbühne zu erklimmen, um auf ihren grandiosen Sieg anno 1956 hinzuweisen. Altersweisheit war daher schon seit längerem nicht mehr diagnostizierbar. Oder vielleicht doch?  Schließlich lagen bereits in diesem Jahr die Juries der litauischen Chanteuse Evelina zu Füßen, als jene das frankophile Musikjuwel „C’est ma vie“ intonierte. Da erscheint es clever, mit „C’était ma vie“ noch einen drauf zu setzen und die nostalgieschwangeren Juroren in den Schlaf singen zu wollen. Baku 2012? Wenn das so weiter geht und – bewahre! – Madame tatsächlich entsendet werden sollte, erleben wir eher eine Zeitreise Richtung Cannes 1959.

Doch nicht alle sorgen sich um eine eurovisionäre Freakshow, wenn ich den Stimmen einiger ungenannter linientreuer Altkommunisten Fans Glauben schenken darf:

„Dass Assia und Siegel zusammenspannen, wird vor allem Stefan Raab ärgern», schreibt ein User. «Der Song klingt überraschend gut», lobt ein anderer. Die Ballade wird sogar mit dem Ohrwurm von Raphael Gualazzi (29) verglichen, der am ESC dieses Jahr den zweiten Platz erreichte. «Dieses schöne Lied hat so viel Chancen wie Italien», ist sich ein Fan sicher.“

Ist eigentlich Margot Hielscher samt ihrer Schellackplattensammlung beim offenen Casting zu „Unser Star für Baku“ schon gesichtet worden?

Gute Nacht, Europa

Foto: Wikimedia / Clausule

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