Operation gelungen?

Operation gelungen?

MogelpackungWegen des lautstarken Medienechos der letzten Tage, das mit den Themen Schiebung, Plagiat und Juryverschwörung die gesamte Bandbreite der traditionellen Eurovisionsrezeption abdeckte, hat sich der eurovisionaer mal ein wenig mehr Zeit genommen, seine eurovisionaeren Eindrücke zur deutschen Vorentscheidung 2013 „Unser Song für Malmö“ sacken zu lassen. Aber jetzt soll natürlich auch sein Senf in der krawalligen Debatte nicht fehlen, …

Mit der Verteibung des ehemaligen Heilsbringers Raab hatte es im September letzten Jahres begonnen. Zuallererst wurde das Unser-Star-für-Format, welches ohne die famose Lena Meyer-Landrut wahrscheinlich nie wirklich funktioniert hätte, als überholt betitelt. In der Tat lockte Roman Lob kaum jemanden mehr hinterm Ofen hervor. Nun sollte also alles anders werden; das von vielen als Vorbild gepriesene schwedische Melodifestivalen sollte als Blaupause dienen und der alte (Schlager-)Muff der vorraabschen Jahre auf jeden Fall vermieden werden. Tja, und was ist dabei herausgekommen? Ist das Experiment geglückt?

Wenn die Eurovisionswelt – wie so oft unterstellt – tatsächlich mal so einfach wäre, dass diese Frage klar mit Ja oder Nein zu beantworten wäre! Positiv ist sicherlich, dass es gelang, Künstler wie Blitzkids mvt., LaBrassBanda, Ben Ivory oder gar die Söhne Mannheims zu gewinnen, die (bzw. deren Plattenfirmen) vor Jahren sicherlich noch einen großen Bogen um die Marke ESC gemacht hätten. Noch besser: deren Beiträge hörten sich nicht nach krampfhaft auf Wettbewerb gebürstet an und waren in der Mehrheit einfallsreich und ansprechend umgesetzt. Kurzum: manche hatten verstanden, wie der Wettbewerb tickt, einigen waren sogar mehr ehemalige Teilnehmer als nur Abba geläufig. Eine große Halle wurde gebucht, um die Nervenstärke der Bewerber auf die Probe zu stellen, auch prima! Und mit Anke Engelke als Moderatorin konnte eigentlich gar nichts schief gehen, denn der verzeiht der gemeine Fan selbst die etwas eitle Koketterie mit den eigenen Fremdsprachenkenntnissen ebenso wie den verantwortlichen Redakteuren das Recycling der Düsseldorfer Grafikvorlagen. Als letztlich gar noch diverse regionale Radiosender eingebunden wurden, um dem Ganzen einen Hauch von 12-Punkte-Suspense zu geben, schien alles wie geschmiert zu laufen.

Wie indes bekannt, endete das gut gemeinte Vorhaben dann doch in einer mittelschweren Kakophonie. Die Presse, von geifernden Springerschreiberlingen infiziert, tönt das altvertraute Lied „Grand Prix is eh doof“, der beauftragte Koordinator der ARD stellt fest, dass Plagiatsvorwürfe halt „zur Folklore des ESC“ gehörten. Die einen Fans wittern „Verschwörung!“ und wettern prompt „Schiebung!“, weil der – massiv manipulierte – Bürgerentscheid angeblich keine Berücksichtigung findet. Andere wiederum wollen die Jurys abschaffen, „weil nicht fünf Experten ein ganzes Volk bevormunden dürfen“. Eigentlich alles wie zu finsternsten Siegel-Zeiten, nur mit dem Unterschied, dass heutzutage zusätzlich die Sozialen Medien – und mittlerweile nicht das erste Mal – zum modernen Scherbengericht mutieren, wo der anonymisierte Mob mal eben nach Herzenslust shitstormen darf, was das Zeug hält.

Ist halt dumm gelaufen, dass ausgerechnet das Radiovoting so prominent in die Länge gezogen wurde, wo doch die hippen, jungen Radiosender gar kein Interesse zeigten, das Event entsprechend zu bewerben. Blöd auch, dass Jurys akzeptiert werden, solange sie die böse Ostmafia in die Flucht schlagen und uns armen Würstchen zu guten Platzierungen verhelfen. Und erstaunlich, dass erst jetzt nach hochdekorierten Musikwissenschaftlern gefahndet wird, wenn doch bereits seit Mitte Januar jeder, der zwei halbwegs intakte Ohren hatte, hören konnte, dass sich der spätere Siegertitel sehr offensichtlich erfolgreicher Vorlagen bediente, was ihn jedoch noch nicht automatisch zum Plagiat macht.

Stimmt, die ganze Aufregung gehörte immer schon zur Eurovision wie der Löwensenf zur Bratwurst. Und wenn alles nach Plan läuft, sorgt die Publicity für akzeptable Downloadzahlen und spätestens im Mai für eine halbwegs stattliche Quote. Eigentlich wunderbar, denn mehr können sich die Fans doch gar nicht wünschen!

Schade nur, dass die Eurovision so leider niemals – wie nach dem Euphoria-Erfolg erhofft – in der realen Musikszene ankommen bzw. unter ihrer miefigen Käseglocke hervorkriechen wird. Selbst der Weg vom Grand Prix d’Eurovision zum Song Contest war ein langer, folglich wird das Muster „Brot und Spiele“ – also Hauptsache laut, Toleranz vorheuchelnd, weil ja verschwulisiert und nach Skandal riechend – uns noch lange erhalten bleiben. Und das ist kein nationales Phänomen, wie es beispielsweise der Blick  nach Großbritannien oder Frankreich bestätigt. Kult, den keiner ernst nimmt – ja, gerne! Ein zeitgemässer Eindruck, welcher Musikgeschmack in den jeweiligen Regionen Europas gerade angesagt ist – nein danke! Wäre ja auch noch schöner, denn dann würde man der ganzen lächerlichen Chose ja eine kulturelle Bedeutung zugestehen.

Einer Vorentscheidung das Etikett „modern“ zu geben, ist daher wohl der einzige Schwindel, den es zu kritisieren gäbe. Aus der Traum, denn es ist nun einmal lediglich „the same Procedure as every Year!“

Foto: Joachim S. Müller

1 Comment

JoergenS

24. Februar 2013 at 10:10 am

2013 – getreu dem diesjährigen Motto „We are one“ hat sich die deutsche Nation nun für die Fusion von Cascada mit „Euphoria“ entschieden. Diese Totalverweigerung von Individualität und Kreativität wird bestimmt kein Meilenstein in den Geschichtsbüchern der ESC-Historie einbringen. Aber trotzdem dürfen wir uns über neue Acts in der Musikszene freuen, die uns nicht in Casting-Shows auf dem silbernen Tablett serviert wurden, nachdem man sie uns zuvor in Reality-Doku-Clips auf der Schlachtbank der Peinlichkeit vorgeführt hat, sondern denen in der „Primetime“ auf dem Seniorensender ARD-Gold die Möglichkeit geboten wurde, neue „Jünger“ für ihre „kühle“ oder „herzerwärmende“ Musik zu finden.

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