USFÖ – Wir sind die Dramaqueen Europas
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Hoppla, da hat sich der eurovisionaer aber gewaltig geirrt, als er die diesjährige deutsche Vorentscheidung USFÖ im Vorfeld als absehbar unspektakulär abtat… Weit gefehlt, zum Tausch erlebten wir hautnah den Gipfel deutscher Live-Fernsehunterhaltung, der fortan wohl in keinem ESC-Rückblck fehlen darf.
„Ich bin ein kleiner Sänger“ sprach der Sieger Andreas Kümmert, lehnte das gerade gewonnene Wienticket ab und entschwand von der Bühne. Mehr Drama ging kaum und selbst die forsche Barbara Schöneberger war einen Moment lang sprachlos, bevor sie aus Mangel an Alternativen mal eben die Zweitplatzierte Ann Sophie beauftragte, im Mai in die österreichische Hauptstadt zu reisen.
Und jetzt haben wir den Salat! Denn deutlicher konnte man uns wohl gestern nicht vor die Nase halten, was passiert, wenn der NDR mit den Major Labels kungelt und ihnen zur Beruhigung des eigenen schlechten Gewissens eine Wildcard auf den Hals hetzt. USFÖ stellte von Anfang an ein Format dar, das nur unterschwellig auf die Suche nach einem passenden Beitrag für den Eurovision Song Contest ausgerichtet war. Mit Sängern, die sich zwei Songs so nebenbei aus dem aktuellen Album pulen oder Songwritern, die erst einmal überzeugt werden müssen, einen Titel für den Wettbewerb freizugeben. Mit jungen Radiowellen, die Beiträge aussuchen, die sie niemals im laufenden Programm spielen werden und Managern respektive Plattenfirmen, bei denen der Verkauf von Tonträgern und Konzerttickets an erster Stelle steht.
Wie folgerichtig, dass nach allem Hin und Her ausgerechnet die Sängerin (welche übrigens am allerwenigsten an dem ganzen Schlamassel schuld ist) schlussendlich zum ESC geschickt wird, die sich wohl als Einzige aus freien Stücken um die Eintrittskarte in den Schlagerzirkus beworben hatte. Mit diesem peinlichen Abschluss hat der NDR der fortan als „zweite Wahl“ stigmatisierten Sängerin Ann Sophie, aber auch dem deutschen Song Contest einen Bärendienst erwiesen. „Ihr seid das neue Weißrussland!“ spotten die internationalen ESC-Anhänger und für diejenigen, die den heimischen wie auch internationalen Wettbewerb schon immer affig fanden, schaufelte das gestrige Chaos nur Wasser auf die Mühlen.
Wie albern das komplizierte, sich über drei Runden erstreckende Wertungssystem tatsächlich ist, hat Kümmerts Rückzug nachdrücklich aufgezeigt, denn es gab von Beginn der Sendung an keine Chance für einen weiteren Nachrücker. So blieb der messerscharf denkenden Frau Schöneberger – ohne Kontakt zur Regie – in der Tat nichts anderes übrig, als die verdutzte Ann Sophie spontan zur Gewinnerin zu küren. Vorschlag: Schenken wir uns doch fortan das ganze Showspektakel und fragen wir die Babsi im nächsten März einfach direkt, wen sie sich dann so ausgeguckt hat.
Sicher, schon die alte Zarah wusste: Davon geht die Welt nicht unter – schließlich haben wir keine Eurovisionsregierung für die nächsten vier Jahre gewählt, die dann doch Schiss kriegt und sofort wieder abtritt. Ärgerlich ist es aber schon, wenn Verantwortliche des NDR gleich nach der Sendung noch von einer grandiosen Show reden, keiner das Wort Wettbewerbsverzerrung in den Mund zu nimmt oder die angeblich 78% Kümmert-Televoter erwähnt, die ihr Geld für Nüsse ins Nirwana verschickt haben.
Noch ein paar abschließende Gedanken zu Andreas Kümmert. Ohne mit dessen Werk und Vita ins letzte Detail vertraut zu sein, fragt sich der eurovisionaer, wie es einem ehemaligen Castingshow-Sieger erst in den letzten Sekunden dämmern kann, was möglicherweise nach einem Vorentscheidungssieg auf ihn zukommen könnte.
Statt dessen wird er nun als labiler Künstler dargestellt, der Respekt für seine persönliche Entscheidung verdient. Bei allem Verständnis – wo war denn sein Respekt und seine Fairness gegenüber den anderen Mitbewerbern, insbesondere gegenüber Frau Feser und den Damen Laing, die vielleicht auch ganz gerne Finalluft geschnuppert hätten? Und ist es zynisch festzustellen, dass sein Song zwischenzeitlich das avisierte Marketingziel erreicht hat, wenn er auf Rang 5 der tagesaktuellen Verkaufscharts steht?
Nein, da geht dem Hausherrn der Hut hoch und er gibt in diesem Fall ganz freimütig und gerne den kleinkarierten ESC-Fan, dem mal wieder nichts recht zu machen ist. Dabei hatte er sich einfach nur auf einen halbwegs unterhaltsamen Fernsehabend mit Bier und Mettbrötchen gefreut…
1 Comment
escfan05
8. März 2015 at 2:03 amIch gebe dir absolut recht. Diese verlogene Gutmenschengesäusel der deutschen Medien gegenüber Kümmert, der fiesen Kröte, ist genauso zum reiern, wie das Gelaber von Kümmert und seine Aktion selbst.