Finale: 05. Mai 1990
Siegerland: Italien
Siegertitel: Insieme: 1992 / Toto Cutugno
Teilnehmer: 22 Länder
Voting: 100% Jury
Moderation: Helga Vlahovic & Oliver Mlakar
TV-Zuschauer Dt.: 7,02 Mio
Deutscher Beitrag: Frei zu leben / Kempers & Kovac
Der ESC-Jahrgang 1990, ein Klassiker! Selten zuvor gab es so viele Songs, die die eurovisionaere Playliste anführten und auch ohne den Contest hätten bestehen können. Selbst heute, fast 25 Jahre später, weiß der Blogger grad gar nicht, wo er mit seinen Lobeshymnen anfangen soll… Sicher bei Israel und seiner wundervollen Rita, die zwar in Zagreb abschmierte, ihn seitdem jedoch auf Jahre – ach was! – Jahrzehnte danach in traurig-schönen Momenten begleitete. Oder Azucar Moreno aus Spanien, denen wie Glibber diese dumme Playback-Panne anhängt, obschon sie damals eine fette Portion Modernität in den ollen Wettbewerb brachten. Frankreich, das den Altmeister Gainsbourg ausgegraben hatte und mit ihm endlich wieder an traditionelle Erfolge anknüpfen durfte. Oder die Türkei, die erstmals in der ESC-Historie die eigene Melancholie erfolgreich in Noten umsetzen konnte. Und, und, und: die liebenswert stelzige Dänin, der traurige Belgier sowie die gastgebenden Jugos, die kurz vor Schluss noch einmal verrückte Sachen machen wollten. Anders als heute war da selten die Skip-Taste im Spiel, wenn der eurovisionaer seiner lieb gewonnenen (damals noch nicht offiziellen) Jahrgangs-CD lauschte.
Der 05. Mai war heiß – knapp 27 Grad zeigte das Thermometer für den Party-Hotspot an! Wie gewohnt wurde nachmittags Günter Krenzens Pop-Report verfolgt, die Songs des Abends studiert, während drumherum die Butze auf ESC-Party getrimt wurde. Ewig lang war der ESC-Maniaco damit beschäftigt, möglichst viel Platz in dem winzigen Kühlschrank seiner 3-qm-Küche zu schaffen, um irgendwo die Unmengen an Sektflaschen deponieren zu können, die er frohgelaunt aus einer Art Getränkefeinkosthandel kistenweise rausgeschleppt hatte. Heute kaum mehr nachvollziehbar, war es damals hip, seinen Gästen bei Festivitäten dieses Ausmaßes jenes angeblich hauseigene Perlgesöff anzubieten. Daher galt es an jenem Samstagmittag, die Pullen möglichst platzsparend zu verstauen, optimal zu kühlen, um sie später – bestmöglich temperiert – eine nach der anderen zu köpfen. Doch nicht nur bei der Wahl der Alkoholika – auch darüber hinaus war es damals eine aus jetziger Sicht eher seltsame Zeit: Deutschland war den Winter zuvor in etwas wiedervereinigt worden, das der eurovisionaer nie kennengelernt hatte und mit dem er weiterhin fremdelte. Und – wie schon gesagt – für die Jahreszeit viel zu heiß. Der Hochsommertag Anfang Mai strahlte, als habe er seit langem gewußt, welch wichtiges Datum im eurovisionaeren Kalender vermerkt war.
Gegen 20 Uhr war es der Vorbereitungen längst genug, die Europagirlande (prust!!!) hing und die Käse-Lauch-Suppe, die es damals so gut wie auf jeder zweiten Feier gab, war mal eben gekocht. Doch zu einer Zeit, als Eurovisionsparties weithin unbekannt waren, ließen sich Außenstehende noch schnell mit irgendeinem ESC-Firlefanz beeindrucken und innerhalb einer halben Stunde waren alle eurovisionaere in bester Stimmung und vortrefflich angetrunken. Mit dem cremigen Etwas auf dem Löffel verfolgten sie den Siegeszug des Italieners, der sehr hoffnungsfroh die nahende Einheit Europas besang, was den seinerzeit noch ausschließlich wertenden Jurys wahrscheinlich runter gegangen war wie das sprichwörtliche Öl. Besagter Toto Cutugno hatte Jahre zuvor bereits in Mitteleuropa durch eine Single namens „L’Italiano“ auf sich aufmerksam gemacht (die schmetterte der eurovisionaer Mitte der Achtziger so manche Nacht mit seinem lieben Freund Herrn B), nun also gewann er den „Grand Prix“ und ein weiteres Jahr später gar sollte er den Song Contest moderieren, was aber besser ein böser Traum geblieben wäre und zu jenem Zeitpunkt – dem ESC-Gott sei Dank! – noch niemand ahnen konnte.
Als das Gesinge gegen Mitternacht gelaufen und die ESC-Abschlußfanfare gespielt war, wurde die Wettprämie verteilt. Schnöder Mammon und Song-Contest-Euphorie waren schon damals gut miteinander vereinbar und da die vielen anwesenden Geisteswissenschaftler zwar weniger die Arbeit, dafür aber das Soziale hoch hielten, forderten sie, dass der lokale Eurovisionssieger die Gemeinde zumindest teilweise an seinem fetten 45 Deutschmark-Gewinn (nur einer hatte den Toto erahnt…) teilhaben lassen müsse. Schnell wurde er ob der vorherrschenden Hitze einstimmig beauftragt, lecker Eiskrem zu besorgen, was sich fortan – wie süß! – zu einem festen Ritual einer ESC-Party entwickeln sollte. Seine Pappenheimer kennend, kam unser Schlagerheld wenig später unter großem Hallo mit der einst trendigen Langnese-Kreation „Sekt-Cooler“ von der Tanke zurück und gab der feierlaunigen Meute damit den noch fehlenden letzten, ultimativen Kick. Sternhagelvoll zog sich diese nämlich anschließend auf des Hausherrn Miniatur-Balkon zurück, demolierte seinen neuen, heißgeliebten Liegestuhl und ließ die Nacht zum Tag werden. Kurzum: es war ein wunderbarer Abend!
Toto machte anschließend seinen verdienten Weg in die deutschen Charts, wo die heimischen Vertreter Kovac und Kempers mit ihrer Siegel-Hymne von Beginn an nichts zu suchen hatten. Und der eurovisionaer träumte den Rest des Jahres weiter von der israelischen Rita und einem sehr speziellen Partygast (die Testosterone halt!), der ihm noch für längere Zeit die Sinne rauben sollte. Die mit ihm verbundenen schwärmerischen, aber nicht immer jugendfreien Wunschvorstellungen jedoch sollten sich erst zwölf Monate später – rechtzeitig zur nächsten ESC-Sause – endgültig entladen. Doch das ist eine andere Geschichte…
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