Europa singt sich in einen Vorentscheidungsrausch! Sage und schreibe 31 nationale Sender haben bislang bestätigt, dass sie mittels eines TV-Vorentscheids nach ihrem Beitrag für Lissabon fahnden wollen. Und es können noch mehr werden, wenn beispielsweise Kroatien seine traditionelle Dora oder Spanien die Anfang der Nuller erfolgreiche Operación Triunfo wiederbeleben sollten.
So oder so zeichnet sich ein heißer Winter für ESC-Nerds ab, will er an kalten Februarabenden via Webstream bei gleich mehreren Entscheidungsshows den Überblick behalten. Vorsorglich hat der eurovisionaer deswegen mal alle bislang feststehenden Terminegelistet und verspricht hiermit feierlich – solange er nicht abermals von einer penetranten ESC-Lustlosigkeit gepackt wird – diese brav zu aktualisieren.
Endlich! Lang genug genöggelt hat er ja, der Chef des Hauses, über die fürchterliche Amber aus Malta und so manch andere Katastrophen, die uns in dieser Saison schon früh um die Ohren gehauen wurden. Und wie wir uns ja auch im Alltag hin und wieder selbst im Weg stehen, wollte es mit solch negativ-sturer Einstellung auch nichts so recht werden – mit der zu dieser Zeit sonst allmählich hochkochenden Eurovisionsbegeisterung.
Doch nun ist alles wieder gut. Der eurovisionaer hat sich durch die Einreichungen seiner Lieblingsvorentscheidungen gehört und – so mancher mag jetzt erleichtert aufatmen und den Blick nur kurz, aber theatralisch gen Himmel richten – wirklich hammerfette Songs für 2015 aufgetan (die erste Playlist wird also nicht lange auf sich warten lassen).
Natürlich fangen wir bei dem seit zwei, drei Jahren (ach Winny Puh!) nicht mehr heimlichen Fave aller National Finals an, dem fantastischen Eesti Laul! Was die Esten Jahr für Jahr aus den Tonstudios zaubern, ist einfach grandios. Und das nicht allein qualitativ, sondern auch quantitativ, denn von den 20 Einreichungen sind mehr als ein Drittel der Beiträge ganz einfach „Ear-Candy“. Absoluter Eesti-Traum jedoch ist „Goodbye to Yesterday“, eine kleine, lässig-verknautschte, Trilliarden Pheromone ausspuckende Melodie von Elina Born im Duett mit dem wunderbaren Stig Rästa. Der hat dem eurovsionaer schon in der legendären Düsseldorfer Saison, also 2011, mit seiner Band Outloudz alle Hörsinne geraubt – damals reichte es in der Heimat jedoch nur für den ernüchternden zweiten Platz. 2015 könnte das anders werden, denn die Netzgemeinde ist ähnlich euphorisch und sieht in dem Duo schon Parallelen zu den fantastischen Common Linnets. Mir doch egal, denkt sich der eurovisionaer und genießt…
Auch Ungarn ist seit der Entsendung des nerdigen ESC-Gegenentwurfs Bye Alex (Malmö 2013) auf dem richtigen Weg, im Kontext der Eurovision neue, weil unerwartete Töne zu treffen. Und das kann man ja nicht gerade von wirklich vielen Song-Contest-Teilnehmern behaupten! Zwar ist das „A Dal 15“ etwas unprätentiöser als im vergangenen Jahr, fokussiert dazu möglicherweise ein wenig zu sehr auf die Rückkehr der unverwüstlichen Wolf-Kati, dennoch – auch in Budapest gibt es alljährlich mindestens einen Song, der es in die Jahresplaylist des Hausbloggers schafft. 2015 ist das „Mesmerize“ von der vermutlich eher independenten Band „Passed“. Bei allem todtraurigen Kleinmädchengitarrengeklimper oder vordergründig übercoolen Oberstufenprobenkellernachwuchsbands, die sich augenblicklich in der offenen deutschen Videovorauswahl zum ESC tummeln, sind diese Ungarn übrigens die Sahne auf dem Kuchen, den wir hierzulande wohl niemals probieren dürfen.
Schlusslicht in dieser kleinen Vorschau ist Siru aus Finnland. Dort wird in Kürze recht pompös das „Festival der neuen Musik“ (UMK) zur Auswahl des für die Eurovision geeigneten Liedgutes veranstaltet. Dummerweise wurden vor dem eigentlich angedachten Stichtag zwischenzeitlich einige Songs ins Netz gestellt, was den zuständigen Praktikanten von YLE wahrscheinlich auf immer und ewig um alle Karrierechancen in den Medien bringen wird. Egal, „Mustelmat“, was auf Deutsch – igitt! – angeblich Blutergüsse heißen soll, ist einer der geleakten Songs, der die Vorfreude auf das restliche Starterfeld enorm steigert, auch wenn er vorerst leider wieder offline, dafür aber gar nicht ekelig ist.
Schade nur, dass letztendlich dann doch wieder irgendwelche verknöcherten Jurys oder schlagerseeligen Televoter jeden der eurovisionaeren Favoriten ins Nirwana, aber niemals nach Wien schicken werden. Seufz!
Auch wenn es scheint, als habe der eurovisionaer nen Sprung in der Tasse, aber seine Chronistenpflicht verlangt es wohl, erneut auf die maltesische Vorentscheidung hinzuweisen. Gestern nämlich veröffentlichten die ESC-Verantwortlichen der winzigen Mittelmeerinsel die 20 Songs, die im Rahmen des zweitägigen nationalen Finales am 21. und 22. November zur Wahl stehen werden. Neben den ewig gleichen unentdeckten Möchtegerntalenten wie Amber, Jessika und Raquel tummeln sich dort Veteranen (Glen Vella und Gianluca) ebenso wie einige Neulinge, so zum Beispiel die an dieser Stelle bereits gebashten Nonnen namens Ekklesia Sisters. Doch wie im richtigen Leben gilt auch hier: Die Masse macht’s nicht! Eine einzige weichgespülte Sosse reiht sich an die andere und so kommt der eurovisionaer schon jetzt zu dem verwegenen Fazit, dass Malta in Wien wenig zu melden haben wird. Punkt. Grafik: eurovisionaer